Einmal bei einem Wettkampf unter den ersten Fünf zu sein – davon träumt doch jeder Läufer, oder? Ihr werdet es mir nicht glauben, aber genau das ist mir gelungen. Allerdings und leider nur auf der Anmeldeliste. Und das kam so…
Es war Anfang des Jahres, als uns Jonas von seinem Kumpel erzählt, der gerade einen Bergtrail in der Rhön organisiert. Rhön? Das hört sich nicht schlecht an. Mal etwas anderes als immer nur Bergpark, Söhre oder die obligatorische BiMa Runde. Als dann Anfang Februar die Anmeldung möglich ist, bin ich einer der Ersten, der sich bei der 23k Variante anmeldet.
Und so kommt es, dass ich am Wettkampftag auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes vor dem Sportgelände des TSV Hilders stehe. In einer guten Stunde startet das Spektakel. Ganz allein, wie noch im Februar, bin ich nun nicht mehr. Immerhin haben sich 117 Läuferinnen und Läufer für die 23 Kilometer Runde mit 600 Höhenmetern entschieden. Auf den kürzeren 13 Kilometer gehen 98 an den Start.
Während ich mit der Theragun meine Beine bearbeite (ja, lacht nicht – kommt erst mal in mein Alter!), trudeln die üblichen Verdächtigen ein. Die halbe Crew ist am Start. Endlich mal wieder unter vernünftigen Menschen. Gut gelaunt starte ich eine großzügige halbe Aufwärmrunde und treffe dort auf Enwer sowie Jonas, dem ich die kommenden Stunden zu verdanken habe.
Insgeheim taxiere ich alle männlichen Mitläufer und komme zu dem Ergebnis, dass ich augenscheinlich einer der Ältesten bin. Okay, dann schon mal her mit dem Pokal für den Altersklassen-Sieger. Schon schön, wie die aussehen. Ziemlich beeindruckend, dafür dass das die erste Veranstaltung ist. Fehlt eigentlich nur noch die Gravur mit meinem Namen.
Mal abgesehen davon, dass ich einem gelben Pfeil folgen soll und es erst einmal bergauf geht, bekomme ich vom Streckenbriefing kurz vor dem Start nicht besonders viel mit. Wie sich später herausstellen wird, ist das auch nicht weiter schlimm, denn an allen kritischen Stellen stehen Streckenposten. Zudem habe ich den GPX-Track auf die Uhr geladen – bin ja ein Fuchs!
Pünktlich um 11 Uhr schickt uns Benedikt „Benne“ Beck dann tatsächlich auf seinen Trail. Oh, Verzeihung – BergTrail! Der kleine, aber feine Unterschied zeigt sich schon auf dem ersten Kilometer und wird, so man denn dem Streckenprofil Glauben schenken darf, bis Kilometer 14 nordhessisch als „als zus berguff“ beschrieben werden können.
Irgendwie hatte ich das mit dem Berge hochrennen anders in Erinnerung. Vielleicht liegt es aber auch einfach an zu wenig Höhenmeter und/oder zuviel Jever im Urlaub auf der Nordseeinsel. Was ich im Endeffekt damit sagen will: Hey, das ist scheiße anstrengend hier!
Statt den schönen Trail der Ritterschlucht zu genießen, starre ich auf das etwas in die Jahre gekommene Finishershirt des Vordermanns und versuche an ihm dranzubleiben. Puls bei 170. Läuft. Mal sehen, wie lange das gut geht.
Nur gut, dass es ab und zu auch mal wieder kurz gemäßigt zur Sache geht, denn auf den Anflug von Seitenstechen habe ich sonst keine adäquate Antwort. Nachdem sich mein schon etwas in die Jahre gekommener Körper vom ersten Schock erholt hat, kann ich endlich auch mal die entzückende Landschaft bewundern.
Und weil weiter oben die Aussicht noch viel atemberaubender sein soll, raubt uns der Benne erneut den Atem. Es geht tatsächlich schon wieder bergauf, diesmal auf einem schönen, aber steilen Trail zum Buchschirmberg.
Idyllischer könnte es kaum sein. Grüne Wiesen sind zwar gerade Mangelware, aber immerhin verfolgen uns die argwöhnischen Blicke einer Weiderindherde. Ich möchte übrigens nicht die Gedanken von Kühen lesen können. Erst recht nicht in jenem Moment. Ehrlich nicht.
Oben angekommen, erreichen wir den Punkt, an dem es suspekt wird. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass wir uns hier in der hessischen Rhön befinden, empfängt uns auf der Aussichtsplattform „Krone“ eine augenscheinlich bayerische Blaskapelle. Gilt das mittlerweile bereits als kulturelle Aneignung? Ich weiß es nicht.
Während die 13k-ler nach dem Gipfelkreuz schon wieder ins Tal abbiegen dürfen, rennt die 23k-Meute schnurstracks über den elend langen und nicht enden wollenden Buschirmkam Richtung Fernsehturm.
Wir sind ungefähr bei Kilometer 11, als ich mich daran erinnere, dass ich bei Kilometer 10 ein Gel einwerfen wollte. Naja, besser gesagt – meine Beine erinnern mich daran. Irgendwie läuft’s gerade nicht so glänzend. Und dabei geht es noch nicht mal bergauf.
Gerade mal die Hälfte des Gels bekomme ich mit viel Wasser heruntergespült. Auf den Rest verzichte ich, da der Magen scheinbar gerade ebenso unwillig wie meine Beine ist. Als uns dann auch noch die Spitzengruppe auf einem Stück entgegenkommt und ich realisiere, wie weit hinten ich eigentlich bin, ist die Motivation etwas im Keller.
Nun ja, was hilft’s? Bald geht’s auch für uns nur noch bergab, denn mittlerweile haben wir den höchsten Punkt auf 805 m ü. NN an der Südwestflanke des Ellenbogens erreicht. Jetzt heißt es nur noch über den Fernsehturm wieder zurück Richtung Buschirmberg.
Bevor wir dann endgültig am Buchschirmberg über einen Singletrail Downhill bei durchschnittlich 15% Gefälle 400 m schnurgeradaus nach unten ballern (aua, das geht auf die Knochen!), genießen wir oben am Kamm noch einmal kurz die Aussicht. Kann da unten im Tal gerade mal jemand die Zeit stoppen? Ich würde hier gerne bei einem Schoppen kurz Rast machen!
Auf rasanten Downhill-Passagen geht’s zurück ins Tal, über Treppen, kleine Brückchen und auf engen Pfaden. Konzentration ist angesagt, sonst lege ich mich auf den letzten Metern noch auf’s Mett. Wer will das schon? Reicht ja auch, dass ich auf dem letzten Kilometer kurz vor Erreichen des Ziels beinahe einen Teil meines Mageninhalts in der Ritterschlucht hinterlassen muss. Okay, gerade noch mal gut gegangen, aber anscheinend habe ich mich dann doch ein klitzekleinwenig zu sehr verausgabt.
Kurze Zeit später sitze ich mit einem kalten alkoholfreien Weizen in der Hand und einer schönen Medaille um den Hals glücklich im Zielbereich. Feine Sache, das alles. Kann man kaum besser organisieren. Für eine Premiere absolut perfekt!
PS: Alterklassensieger bin ich natürlich nicht geworden. Aber immerhin fünter meiner AK. Dafür stehe ich dann in der Anmeldeliste für die 2. Auflage am 3. September 2023 wieder ganz weit vorn. Wetten?
6 Kommentare
Comment by Oliver
Oliver 6. September 2022
Bei Premieren mitzulaufen hat ja immer was. Wenn die dann noch so gut gemacht sind wie beschrieben, dann erst recht. Zumal mit einer sympathisch überschaubaren Teilnehmeranzahl, sowas gibt Bonuspunkte bei mir. Aber auf Zielbestzeit kommts bei so einer Nummer doch irgendwie eh nicht drauf an. Schöne Strecke jedenfalls, klingt reizvoll, ich war ja ewig nicht in der Rhön …
Comment by Martin
Martin 6. September 2022
Ja, die Strecke ist in der Tat sehr reizvoll. Allerdings unterscheidet sich die Landschaft nun auch nicht so sehr von der hier bei uns rund im Kassel. Wir haben es hier auch sehr schon. Größter Bergpark Europas vor der Haustür – damit kann man schon mal angeben…
Comment by Andreas
Andreas 19. September 2022
Puh, das Höhenprofil am Ende des Berichts gibt einem allein schon beim Betrachten den Rest Glückwunsch zu deinem anstrengenden, aber erfolgreichen Lauf – solch eine Strecke finde ich für einen schönen, ruhigen Sonntagslauf sehr reizvoll, aber als Wettkampf? Darauf gleich noch ein abschließendes Puh!
Comment by Martin
Martin 20. September 2022
Haha!
Ja, das ist vielleicht nichts für Berliner, die beim Müggelberg schon Höhenangst bekommen. Viel steiler, als damals in den Weinbergen an der Unstrut war’s in der Rhön aber auch nicht. Insofern spar dir das mit dem „Puh“ noch auf, bis ich in drei Wochen den BiMa gelaufen bin.
Comment by Andreas
Andreas 22. September 2022
Ich bin schon sehr gespannt auf deinen Bericht vom BiMa – aber lesen ist auch einfacher, als selber hochzulaufen
Viel Erfolg!
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