Eins ist so sicher, wie unsere Rente. Ich werde eines Tages beim Bilstein Marathon meinen ersten Ultra rennen. Der Halbmarathon ist einfach zu schnell vorbei. Ich hätte da gerne länger etwas von dem schönsten Lauf in unserer Region.
Schon nach meiner Premiere im letzten Jahr stand fest, dass ich dieses Jahr wieder in Kleinalmerode am Start stehen werde. Zur Diskussion stand lediglich, ob es der Halbmarathon, der Marathon oder gar der Ultra wird. Lockere 57 Kilometerchen beträgt die Ultradistanz in diesem Jahr. Das muss doch machbar sein, dachte ich mir, als mir die nette Mail des BiMa Teams ins Haus flattert. Ein Freistart, weil ich so einen schönen Bericht über die Veranstaltung geschrieben habe. Hach Jungs, ihr seid die Besten.
„Sie sind zu alt für den Scheiß. Gehen Sie lieber schwimmen oder Rad fahren.“ So oder so ähnlich drückte sich kürzlich mein Orthopäde aus. Was für Schlüsse ziehe ich daraus? Erstens: Der Kerl sieht mich nie wieder. Zweitens: Dieses Jahr wieder der Halbe beim BiMa reicht auch. Ist wohl besser für mich und meine zickige Ferse. Und so kommt es, dass ich am Sonntag zwei Stunden länger schlafen und frohen Mutes gegen 9:00 Uhr meine Startnummer abholen kann, während die Ultras schon seit 8:30 Uhr auf der Strecke sind. Eine Startnummer, für die ich übrigens irgendwie eine Reservierung auf Lebenszeit bekommen muss. Da müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht klappt…
„Wenn du in Kleinalmerode wohnst, musst du entweder beim BiMa mithelfen oder aber selber laufen.“ erzählt ein Teilnehmer später während des Laufs. Nun wird auch klar, wieso das ganze Dorf auf den Beinen ist. Vom Parkplatzeinweiser bis zur Kuchen backenden Omi – jeder ist dabei. Im Starterbeutel finde ich ein kleines Brot vom örtlichen Bäcker. Eine tolle Überraschung – die passende Tasse für den Kaffee dazu ist auch mit drin.
Familiär geht es auch bis zum Start weiter. Jede Menge bekannte Gesichter, die ich hier treffe. Entspannter kann so ein Wettkampftag nicht beginnen. Ich hab allerdings ein wenig Muffe, dass meine Ferse mir den Bergabteil übel nimmt und der Lauf ein ähnliches Desaster wird, wie in Merkers. Zu Hause musste ich versprechen, dass ich mich dieses Jahr zurückhalte. Schneller als eine 5:00er Pace bergab ist verboten. Sonst gibt es Ärger mit der Holden. Urgs. Das zieht!
Eine halbe Stunde, nachdem sich eine Handvoll Läufer auf die Marathonstrecke gemacht haben, dürfen auch die Halbmarathonis ran. Uns erwarten zunächst 13 km „alszus berchuff“, 535 Höhenmeter um genau zu sein. Die Strecke gleicht der vom letzten Jahr. Ich weiß also, was mich erwartet.
Auf den ersten Kilometern höre ich in mich hinein. Was sagen die Beine? Die Ferse macht keinen Mucks, dafür zickt zur Abwechslung mal der linke Schienbeinmuskel. Sollte der Knochenklempner doch Recht haben? Ich mag da nicht dran denken und wechsle daher zu „Run & Ommm“ – ich genieße den Lauf, die Natur und das Publikum, welches uns am zweiten Verpflegungspunkt oben am Umschwang so lautstark anfeuert.
Ab dem KM 9 erwartet uns eine feucht-matschige „Waldautobahn“. Läuft sich prima, wunderbar gedämpft. So kann’s weitergehen, denke ich mir, als plötzlich Florian Reichert als führender Marathonläufer an mir vorbeiballert. An dem Kilometerpunkt 21 der Marathon- und Ultraläufer sind wir gerade nach knapp einer Stunde vorbeigelaufen. Da der Marathon eine halbe Stunde vor unserem Lauf gestartet ist, hat Florian den Halbmarathon locker unter 1:30 hinter sich gebracht. Wahnsinn.
Die herunter hängende Kinnlade ist gerade so wieder oben, da erreiche ich auch schon den Verpflegungspunkt kurz vor dem letzten Anstieg. Einer der Streckenposten muss dafür herhalten – er bekommt die GoPro in die Hand gedrückt und soll auf mich drauf halten. So ganz genau wusste er nicht wo bei der Session vorn und hinten ist. Zum Schluss hat es doch noch geklappt. Danke sehr und weiter geht’s.
Oh weia. Die letzten Meter hatte ich irgendwie anders in Erinnerung. War das wirklich so anstrengend? Okay, die ersten drei Monate des Jahres musste ich mehr oder minder pausieren. Lag sicher nur daran und nicht an den zwei oder drei Kilo mehr auf der Hüfte. Wie auch immer – es hilft, dass die Zuschauer kurz vor dem Gipfel keine Gnade kennen. Gehen ist nicht, laufen soll ich. Okay, okay.
Die Blasmusik spornt noch mal an, schnell noch über die Aussichtsterrasse rennen – vorbei an johlenden Zuschauern vor Bierchen und Käffchen. Ist das geil. Sowas gibt’s nur hier. Schade, dass ich schon wieder weiter muss. Und zu blöd, dass es jetzt bergab geht…
Ja, richtig gelesen. Vor der Bergabphase habe ich ein wenig Schiss. Ihr wisst – die Ferse. Und die Holde. Jetzt nur nicht übertreiben, schon gar nicht mit den müden Beinen, die ich noch nach dem letzten, heftigen Anstieg habe. Also lasse ich die folgenden paar Meter Singletrail Singletrail sein und laufe ganz vorsichtig bergab. Auf den nächsten paar Kilometern bis ins Ziel lasse ich es gemütlich rollen und halte mich wie befohlen an die 5:00er Pace. Es fühlt sich endlos an. Hinter der nächsten Kehre müsste doch langsam der Abzweig in das Wäldchen mit dem letzten, kurzen Singletrail kommen. Jetzt? Nein. Aber jetzt!
Eben noch über Baumstämme und Äste gestolpert, da taucht schon das endlose Feld mit dem tollen Blick auf Kleinalmerode auf. Ein Kilometer bergab, die letzten paar hundert Meter auf Asphalt, dann ist es schon vorbei. Schade, denke ich. Wieder ein Jahr warten.
Ich hole einen Läufer ein und erkundige mich, wie es bei ihm gelaufen ist. Wir kommen ins Gespräch und bemerken, dass wir in derselben Altersklasse sind. Ein Rennen wollen wir uns trotzdem nicht mehr liefern. So kurz vor dem Ziel noch mal die Knochen ruinieren? Muss nicht sein. Wir beschließen daher, gemeinsam ins Ziel „zu hahnern“ – Hand in Hand lassen wir allerdings weg. Er kommt eine Sekunde vor mir ins Ziel. Verdammt, hätte ich doch noch mal Gas gegeben… (nur Spaß!)
Was noch folgt, ist eine Premiere. Noch nie wurde ich im Ziel mit Namen begrüßt, schon gar nicht mit: „Das ist der Martin, den kenn ich. Der schreibt auf seinem Blog immer die tollen Berichte über den BiMa!“
Sehr liebreizend, oder? Beinahe in einem Atemzug mit den Siegern des Marathons und des Ultras genannt zu werden, die kurze Zeit später durch das Ziel hechten. Das hat schon was.
Tja. Und schon ist ein Höhepunkt des Jahres vorbei. Ein grandioser Lauf bei tollem Wetter. Die Ferse hat gehalten. Ich bin mehr als zufrieden. Auch mit einer Zeit von knapp 10 Minuten mehr als im letzten Jahr. Es muss nicht immer Bestzeit sein – man kann auch so Spaß haben. Und genau darum ging’s mir in diesem Jahr. Hier noch eben der Beweis, dass ich artig war…
Vielen Dank an alle Helfer des BiMas. Das war teuflisch gut – ihr seid großartig. Wir sehen uns am 6. Mai 2018. Ich freu mich – auch auf die Startnummer 666. *winkmitdemzaunpfahl*
Beitrags-/Headerbild: Benjamin Sperl @art_of_trailrunning
11 Kommentare
Comment by Micha
Micha 8. Mai 2017
„er bekommt die GoPro in die Hand gedrückt und soll auf mich drauf halten“ – gibt es noch ein Video vom Lauf?
Comment by Martin
Martin 8. Mai 2017
Hatte ich eigentlich nicht vor. Ich will keinem mein gequältes Geschnaufe am Berg antun.
Comment by micha
micha 10. Mai 2017
moin… sach ma… hacke nur beim runterlaufen? technik ändern?
Comment by Martin
Martin 10. Mai 2017
Moin. Ja, ich weiß. Ich bin nicht der beste Bergabläufer unter der Sonne. Und 300m vor dem Ziel achte ich auf alles andere, nur nicht auf den Laufstil.
PINGBACK › Lesenswerte Links – Kalenderwoche 19 in 2017 > Vermischtes > Lesenswerte Links 2017
Comment by Thomas Leck
Thomas Leck 30. Mai 2017
Hallo Martin
Schöner Bericht…Gut zu lesen
Deinen Wunsch den ersten Ultra am bilstein zu laufen würde ich noch mal überdenken.
Aus meiner Erfahrung ist das schon einer der größeren Herausforderung….Am besten erst mal in Rodgau oder Marburg einlaufen damit du auch etwas von der schönen Landschaft um den Bielstein siehst.
Gruß Thomas
Comment by Andreas
Andreas 21. Juni 2017
Ja, das kenne ich, wenn man mit den lieb gemeinten Mahnungen der besseren Hälfte an den Start geht… Klappt nicht immer Umso besser, dass du das hinbekommen hast und dabei noch einen schönen Lauf hattest. Glückwunsch!
Comment by Martin
Martin 24. Juni 2017
Danke dir.
Wir mahnen uns ja mittlerweile gegenseitig. Die Holde hat momentan auch einen ziemlichen Ehrgeiz, den man manchmal bremsen muss.
PINGBACK › Die ultramative Herausforderung › Bilstein Marathon, Ultra, Ultralauf, Ultramarathon, Ultratrail › runomatic
PINGBACK › Bilstein Marathon 2018 › Bilstein Marathon, BiMa, Marathon, Ultra, Ultramarathon › runomatic
PINGBACK › Bilstein Marathon 2022 - runomatic