Abergläubisch zu sein, wäre an diesem Tag wahrlich keine gute Voraussetzung. Die 13. Ausgabe des Bilstein Marathons, und das am 13. April. Beinahe wäre es sogar mein 13. Ultra gewesen, aber da fehlt noch einer. Vielleicht lag es an diesem Gedankenkarussell, dass der Tag etwas anders verlaufen ist, als ich eigentlich erwartet habe.

Ihr merkt es schon oder wisst es bereits: Ich bin ein sehr großer Fan von Ritualen. Es gibt Läufe, die sind sozusagen Pflicht. Die stehen unmittelbar nach dem Zieleinlauf schon auf dem Plan für das kommende Jahr. Der nun schon legendäre Bilstein Marathon ist einer davon. So will es das Gesetz.

Apropos Pflicht und Gesetz: Seit dem letzten Jahr heißt die Prämisse beim Wechseln auf Winterreifen nicht mehr von „O wie Oktober“ bis „O wie Ostern“, sondern von „O wie Oktober“ bis „B wie BiMa“. Auch wenn die Wetterprognose für dieses Jahr eher keinen Schneefall vorausgesagt hat – die Tortour des morgendlichen Reifenwechsels muss ich nicht nochmal haben.

Derartig sicher bereift angereist, stehe ich pünktlich vor Ort unter dem noch leeren Start- und Zielbogen und genieße den Hauch von Wettkampfflair, der sich hier gerade breit macht.

Habe ich gerade pünktlich gesagt? Da war wohl jemand noch pünktlicher und hat bereits das erste Ritual des Tages zerstört: Ein Foto des noch unangetasteten, jungfräulichen BiMa-Kuchens ist mir somit leider verwehrt. Merken für das nächste Jahr: Wecker eine Stunde früher stellen!

Gewusel, Geknutsche und Umarmungen

In den verbleibenden zehn Minuten bis zum Start gilt es nun, die üblichen Verdächtigen im Gewusel zu erspähen, zu umarmen oder auf Selfies zu verewigen. Hier und da werden sogar Küsschen ausgetauscht. Isses nicht herzig hier? Hach. ❤️

Ja, und dann hat auch noch der Martin, also mein Namensvetter und Zieleinlauf-Moderator, am heutigen Tage Geburtstag. Wer im Startbereich bei „Conquest Of Paradise“ oder „Sirius“ Gänsehaut bekommt, dürfte heute bei dem stimmgewaltigen „Happy Birthday“ für den Jubilar Ähnliches erfahren haben.

Unterwegs im Neuland

Und schwupps, sind wir unterwegs. Das mit den Ritualen hat sich bereits auf den ersten Metern vorerst erledigt. Zumindest für mich, denn ich bin das erste Mal auf der neuen Ultra-Strecke unterwegs. Letztes Jahr habe ich mich verletzungsbedingt mit der Halbmarathon-Distanz begnügen müssen.

Mental finde ich neue Strecken immer vorteilhaft, denn die Ungewissheit auf das, was da noch kommt, sorgt für Abwechslung und vertreibt die Gedanken, ob das ein oder andere Zipperlein nicht doch ein Problem werden könnte. Von denen habe ich heute nämlich genug, da ich vor gerade mal zwei Wochen schon einen ähnlichen Ultra gelaufen bin. „Kann er den Hals nicht vollkriegen, der alte Sack?“ werdet ihr euch fragen. Zu Recht.

Um das mit den Ritualen nicht vollends außer Acht zu lassen, starten wir ab dem ersten VP mit dem, was ich ab dem heutigen Tage als die „1. offiziellen La-Ola-Championships“ betiteln werde. Im Grunde genommen ein alter Hut, denn die mal mehr und mal weniger geglückten Animationsversuche veranstalte ich schon seit dem BiMa 2018. Nun, irgendwann muss der Part vielleicht doch mal als Rahmenprogramm in der Ausschreibung stehen.

Wie sage ich es diplomatisch? Okay, die beiden Herren schlagen sich wacker. Ob es für einen Podestplatz reichen wird, entscheidet sich bei den nächsten VPs. Was ich aber sagen kann – fernab der neuen Disziplin liegen sowohl das Angebot an Speis und Trank sowie Freundlichkeit im Spitzenbereich. Das gilt selbstredend für alle VPs, die ich heute anlaufen werde. Das sei vorab schon mal verraten. Vielen Dank dafür. Aber, wie gesagt, das mit der Welle…

Gutes Stichwort, denn wellig geht es weiter, auf Trails und Forststraßen, vorbei an blühenden Kirschbäumen. Landschaftlich ein Augenschmaus, für die Beine harte Arbeit. Besonders begeistert sind die nicht.

Die Sehne am linken Knöchel meint gerade, ich solle mir das mit dem Weiterlaufen vielleicht mal überlegen. „Hä, was willst du denn?“ frage ich sie, die olle Zicke. Na warte, dir gebe ich es gleich. Dich mache ich nass!

Vermutlich haben die Jungs am diesem VP schon geahnt, was kommt. Warum stehen die beiden so weit auseinander? Keinen Bock auf La-Ola? Nun, dann auch keinen Pokal. Also nutze ich die Zeit, um der Sehne einen zu verpassen: Einen Becher Wasser in die Socke. Hat damals beim Rennsteig schon geklappt – wird auch dieses Mal funktionieren. Ich bin mir sicher. Fast. Auf alle Fälle schon mal bis zum nächsten VP, und der hat es in sich!

Die Monoblock Boys

Wer braucht schon die Elevator Boys, wenn man die Monoblock Boys hat? Ja, ich weiß. Um den Gag zu verstehen, muss man nicht nur um viele Ecken denken, sondern sich auch noch an vier Jahre alte Internet-Memes erinnern – und zu allem Überfluss auch noch meinen Bericht zum BiMa 2023 gelesen haben.

Einer der Boys, nämlich Axel, erkennt mich sofort. „Wir haben heute leider Monoblock-Stuhl für dich!“ – ein Satz, der auch von Heidi Klum stammen könnte, soll mich dankenswerterweise animieren, heute mal weniger Zeit an diesem wundervollen VP zu verbringen.

Auch auf die La-Ola-Welle muss ich nicht lange warten. Klappt perfekt – ich glaube, die haben geübt. Ach übrigens, sehe ich da hinten etwa einen Gartenstuhl? Den würde ich auch als Monoblock durchgehen lassen…

Das Tief auf der Höhe

Vielleicht hätte ich mich doch beim letzten VP auf Dauer niederlassen sollen. Vielleicht war es aber auch ganz einfach eine bekloppte Idee – das mit den beiden Ultras so kurz hintereinander. Wie dem auch sei. Ich habe gerade keinen Bock mehr.

Hier am ersten größeren Anstieg des Tages bin ich gerade in einem Tief. Ob ich nach dem Turm kurzerhand die alte HM-Strecke zurücklaufe? Doch einfach so – ohne triftigen Grund – ein DNF? Das wäre tatsächlich Premiere. Aber ausgerechnet beim BiMa?

Schon kurze Zeit später wendet sich das Blatt zum Guten. Nein, ich bin kein Fan von Blasmusik, dennoch schätze ich das Engagement, aber eher liegt es am Anfeuern von Jörg (vielen Dank noch mal) oder daran, dass wie aus heiterem Himmel Thorsten auftaucht. Ja, und wenn der auftaucht, ist mit Sicherheit für Abwechslung gesorgt.

Innerhalb von Bruchteilen von Sekunden weiß ich nun, dass er die Woche zuvor erst einen Marathon in Hannover in 3:19:54 gefinished hat und dementsprechend müde unterwegs ist. Zudem bin ich im Bilde, was seine weitere Jahresplanung anbelangt. Kurzum: Ich habe auf dem Weg hinab vom Turm kaum Gelegenheit, mir über meine Befindlichkeiten Gedanken zu machen.

And the winners are…

Ein lautstarkes „Hey, das ist doch der mit der GoPro!“ unterbricht den Monolog, den wir beide gerade führen. Der Plan mit den „1. offiziellen La-Ola-Championships“ ist gerade aufgrund des Tiefs ein wenig aus dem Fokus gerückt, als am VP kurz hinter dem Turm die Jungs von der freiwilligen Feuerwehr in Reih und Glied zur Welle bereitstehen. Wohlgemerkt – ohne Aufforderung. Da bin ich mir beinahe sicher: Den Pott haben die Jungs sicher. Well done!

Derart beflügelt mache ich mich auf den Weg auf die gefürchtete Ultra-Schleife. Von selbiger habe ich ehrlich gesagt nichts Gutes gehört. Ewig bergab, ewig bergauf. Also genau das, worauf man nach mittlerweile 30 km voll Bock hat. Nicht.

Thorsten ist mittlerweile ein paar hundert Meter entfleucht. Ziemlich sicher macht er gerade wieder seine berühmt und berüchtigten Intervalle während eines Ultras. Klingt komisch, kommt aber vor – in aller Regelmäßigkeit. Kaum ist die Belastungsphase beendet, dreht er sich um und macht ein schönes Bild von mir. Ich muss noch nicht mal gute Miene zum bösen Spiel machen. Es läuft gerade ziemlich gut.

Zack, und weg ist er wieder, der Thorsten. Ich habe doch gesagt – es wird nicht langweilig mit ihm. Kurz bevor die Ultra-Schleife in die Bergaufphase übergeht, zeigt die Uhr noch verbleibende 21 Kilometer an. „Ein Halber geht immer“ klingt zugegeben bekloppt, ist für mich aber stets ein persönlicher Meilenstein auf der Ultradistanz.

Was ein Schleif*…

(* Ich musste tatsächlich gerade mal googeln, ob dieses Wort noch gebräuchlich ist. Anscheinend nicht, aber ich erkläre es euch gleich. Zumindest jenen, die jünger sind als Generation X.)

Wo war ich stehen geblieben? Ach so, ja. Beim Ablichten der Halbmarathon-Distanz. Und vor dem Anstieg der Ultra-Schleife. Resultiert die Bezeichnung wohl daraus, dass die Strecke eine Schleife macht? Oder aber eher, dass sie ein ziemlicher Schleif sind – die rund drei Kilometer bis hoch zum Zollstock? Wer das Wort immer noch nicht verstanden hat: Tortour, Sauerei, [beliebiges Schimpfwort hier einfügen].

Um des lieben Friedens willen hat sich die Orga wohl gedacht, dass man oben mit dem Platzieren eines VP nicht nur die Gemüter kühlen kann. Gerade noch mal gut gegangen. Bevor ich mich auf das Erreichen des nächsten Meilensteins mache, gebe ich den Jungs am VP noch die Chance, sich für einen Podestplatz bei den „La-Ola-Championships“ zu qualifizieren. Für einen Sieg sehe ich nach dem Feuerwerk am „Vielarmigen Wegweiser“ wenig Chancen, aber für eine Premiere war das schon recht passabel.

Einer noch, dann ist Schluss!

Kurz vor dem Ende der Ultra-Schleife ist dann auch die Marathon-Distanz im Sack. Ob ich die Holde schon mal anrufe, dass sie das Badewasser einlässt? Nun, das ist vielleicht doch ein wenig zu früh, denn einen haben wir noch.

Einen was? Na, einen Berg! Was sonst? Flach ist schließlich anders. Gut, dass ich mich da nicht allein hochkämpfen muss. Neben Thorsten muss sich auch Michael mein gelegentliches Fluchen und das Klappern meiner Stöcke anhören. Mir ist das irgendwann peinlich und lasse die Beiden besser ziehen. In weiter Ferne höre ich, wie Thorsten Michael von dem letzten Marathon in Hannover berichtet und muss ein wenig schmunzeln…

Bilstein Marathon 2025

Die Freud-Leid-Umkehr-Strategie

Kurz nach Kilometer 51 geht es nur noch bergab. Zuvor gäbe es am letzten VP nicht nur die Gelegenheit, sich noch etwas zu stärken, sondern auch noch weitere Kandidaten für eine Welle zu animieren. „Bier-Kehre“, die Bezeichnung des Standorts, hört sich zudem ziemlich verlockend an. Tatsächlich habe ich gerade Beine. Also Beine im Sinne von: „Hey, das läuft!“

So kehre ich der Bier-Kehre den Rücken, lasse Thorsten und Michael am VP stehen und kassiere auf dem Weg zurück nach Kleinalmerode mit einer Pace unter 5:00 noch den ein oder anderen Ultra-Läufer.

Bei diesem kleinen „Runners High“ steht mein Resümee schon vor dem Zieleinlauf fest. Ungewöhnlich wird mir dieser Ultra in Erinnerung bleiben, denn so steigerte sich mein Wohlbefinden erst im späteren Verlauf – also dort, wo ich normalerweise anfange zu sterben. „Die Freud-Leid-Umkehr-Strategie solltest du dir patentieren lassen.“ schreibt mir Sebastian später auf Instagram. Vielleicht hat er Recht.

Mit der Inspiration ins Ziel

Kurz vor dem Ziel wurde der Streckenverlauf kurzerhand noch einmal ein klein wenig geändert. Aktuell ist hier in der Region gerade die Kirschblüte in voller Pracht. Als Inspiration kurz vor Schluss machen wir also noch einen kleinen Abstecher entlang der wunderhübschen Bäume. Nicht minder inspirierend ist allerdings die liebe Marion, mit der ich kurz vor Schluss noch ein Selfie machen darf. Schaut euch mal bitte ihre DUV Statistik an, dann wisst ihr, was ich meine.

Bilstein Marathon 2025

Auf den letzten Metern dieses Ultras sind wir uns einig, dass wir uns spätestens nächstes Jahr hier wieder sehen werden. Wie einst die Hahner-Zwillinge rennen wir gemeinsam und bestens gelaunt durchs Ziel, lassen uns von Martin und Gerno abklatschen und fallen uns mit all denen, die da gerade noch ihre wohlverdiente Medaillen umgehängt bekommen, in die Arme. Isses nicht herzig hier? Hach. ❤️

…und dann gibt’s Ziel auch noch Malzbier. Das könnte seit dem letzten Ultra tatsächlich ein weiteres Ritual werden.

Bilstein Marathon 2025

Daten zum Lauf

2 Kommentare

  1. Comment by Oliver

    Oliver Antworten 16. April 2025

    Ich weiß, Emotionen und so, aber mal ganz nüchternd betrachtet, das war doch ein super Rennen, oder? Klar, mit den üblichen Durchhängern, aber keinerlei Dramen, tolles Wetter, schöne Strecke, nette Gemeinschaft… alles dabei. Weshalb genau machen wir sowas nochmal? ;-)
    Herzlichen Glückwunsch zum soliden Finish!

    • Comment by Martin

      Martin Antworten 16. April 2025

      Ja, das war in der Tat ein Rennen, welches ich positiv in Erinnerung behalten werde. Das Schöne ist ja an der Ultralauferei: Man lernt nie aus und gewinnt von Kilometer zu Kilometer an Erfahrung hinzu. Vorhersehbar ist da außerdem nix. Abenteuerfeeling pur. Mag ich!

      Danke, Oliver! :)

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