Nach meiner Premiere beim legendären Rennsteiglauf im letzten Jahr musste ich mich dieses Mal entscheiden: Möchte ich meinen Lauf in sportlicher Hinsicht toppen oder lege ich noch ein Schippchen Theatralik drauf, wenn es um das Schreiben dieses Berichts geht? Der Beitrag aus dem letzten Jahr kam immerhin so gut an, dass man meinen könnte, die Leserschaft steht auf Schmerz und Leid. Oder waren es die Fettbemmen-Selfies, die euch herlockten?
Zugegebenermaßen liest sich solch ein Abenteuer besser, wenn der Hauptakteur ins Straucheln kommt. Aber eine Wiederholung davon will ich weder mir noch euch antun. Und hey: Nicht ohne Grund warten wir vergebens auf den Kinostart von „Titanic 2“ – will auch niemand sehen, wenn der Pott nochmal untergeht. Insofern lest ihr jetzt und hier die Fortsetzung meiner Rennsteigkarriere. So viel sei vorab verraten: Es geht bergauf.
Opfersuche
Das hat nicht unbedingt etwas mit meiner schon gehobenen Altersklasse zu tun, aber ich stehe auf „betreutes Laufen“. Wie schon beim BiMa vor drei Wochen stehe ich vor dem Problem, dass mir zum perfekten Start in den Wettkampf der Buddy fehlt. Einer, der einen treibt, wenn es mal nicht so läuft wie es soll. Einer, mit dem man dann Hand in Hand wie einst die Hahner-Zwillinge durch den neu gestalteten Zielbogen von Schmiedefeld läuft. Okay, das mit Hand in Hand muss vielleicht nicht sein.
Wie schon letztes Jahr fahre ich am Freitag nach Eisenach, um die Startunterlagen und das Busticket zu besorgen. Die Kloßparty nehme ich natürlich auch mit. Ob man das Carboloading nun mit Pasta oder mit Kartoffelklößen eskalieren lässt – das dürfte egal sein. Eskalieren? Ja, ich habe mir Nachschlag geben lassen…
Ich sitze mit Thorsten, Sylke und Ron zusammen. Alles bekannte Gesichter, allerdings keine geeigneten Opfer, um mal wieder zurück zum Thema zu kommen – nicht, dass es hier wieder nur ums Futtern geht. Thorsten und Sylke laufen so viel Marathons in einem Monat, wie ich beim letzten Rennsteig Fettbemmen vertilgt habe. Also viele. Den Ron kann ich auch nicht schon wieder mit meinem Gejammer belästigen – zudem ist er zu schnell für mich. Die Suche geht also weiter.
Die Kloschlange
Der Wettkampftag beginnt ungewöhnlich. Ich habe ziemlich kurz, aber dennoch gut geschlafen. Mit ausreichend Puffer komme ich eine Stunde vor dem Start in Eisenach an. Ich bin ein Fuchs, so denke ich: In dem Parkhaus, in dem ich mein Auto abstelle, gibt es nämlich eine gepflegte Toilette. Da spare ich mir das Anstellen vor den Dixis. Tja, dummerweise ist das ein Plan, der nicht funktioniert. Das Klo ist außer Betrieb.
Dass der Puffer nun für das Anstellen vor dem Dixi flöten geht – egal. In der Schlange davor erkenne ich das ein oder andere Gesicht wieder, welches mir von Facebook, Instagram und Co. bekannt vorkommt. Aber da jeden anzuquatschen ist mir in der Situation auch zu doof. Katja steht allerdings ganz hinten und muss deswegen dran glauben. Opfer und so. Gesprächsthemen finden sich. So ist zum Beispiel ihr Holder der Mann unter der rosa Perücke am legendären VP Schnaps. Aber dazu kommen wir später.
Martin, komm endlich zur Sache!
Ja, doch. Hey, das gehört alles dazu. Da müsst ihr durch. Supermarathon heißt auch superlang. Das gilt auch für meine Texte. Okay, ich gebe mir Mühe.
Lasst uns nochmal kurz auf die Opfer-Geschichte zurückkommen. Mit am Start ist dieses Jahr der Chris mit seinem Buddy Johannes. Chris betreibt den kleinen, aber feinen YouTube-Channel Trailfever. Hatte ich euch hier schon mal vorgestellt. Entdeckt habe ich ihn, weil er 2021 den Supermarathon in Bild und Ton festgehalten hat. Da die beiden damals ungefähr meine angestrebte Pace gelaufen sind, ahnt ihr was nun kommt: Bingo, Opfer!
Tatsächlich bin ich da wohl gerade in ein Magnetfeld geraten, welches YouTuber und Blogger anzieht. Wie aus dem Nichts erscheint Franni bei uns, den ich 2022 beim BiMa kennengelernt habe. Na, das wird ein Spaß heute.
Apocalypse Now
Ich könnte ja behaupten, dass ich als pflichtbewusster Teilnehmer der Veranstaltung den Text des Rennsteigliedes in- und auswendig kenne. Behaupte ich aber nicht. Stimmt nämlich nicht. Wäre heute auch völlig unnötig gewesen.
So ein Hubschrauber im Tiefflug über dem Markplatz macht schon ein wenig Krach, vor allem, wenn die Möhre aus einer ähnlichen Epoche ist, wie die Dinger aus dem Vietnam-Kriegsfilm. Da können die Vöglein noch so viele Lieder singen – das bekommste nicht mit. Egal, vergessen wir das. Yeah, Rennsteig Supermarathon 2023. Los geht’s.
Gleich auf den ersten Metern durch die pittoreske (!) Innenstadt von Eisenach macht der Melderekord auf sich aufmerksam. Während 2022 rund 1200 Teilnehmer an den Start gingen, sind es heute offiziell 2185, die sich durch die enge Gasse nach dem Start zwängen.
Bis hoch zum Burschenschaftsdenkmal muss ich daran denken, wie es das letzte Mal war. Da war noch alles gut, aber ein paar Kilometer weiter fingen schon die ersten Zipperlein an. Das will ich heute auf keinem Fall wieder erleben. Klar war ich froh, dass ich den Lauf gefinished hatte. Doch all das Theater und Leiden unterwegs war zwar unterhaltsam, als ich es hier im Blog niederschreiben konnte, aber mental aufbauend war es nicht.
Sollte es heute wieder nicht anständig klappen – an der Vorbereitung dürfte es nicht liegen. Dieses Jahr habe ich bereits zwei Ultras und einen Marathon auf der Habenseite. Alle mit ordentlich Höhenmetern.
Höhenmeter ist ein gutes Stichwort. Allein auf den ersten 25,5 Kilometern sind 700 Höhenmeter zu bewältigen. Da muss man schon ein wenig vorsichtig sein, dass man sich nicht gleich zu Beginn verausgabt. Bis jetzt sind meine Waden und Hamstrings gnädig und beschweren sich nicht. Doch gut, dass ich mir und den Beinen am Donnerstag noch eine Behandlung beim Physio gegönnt habe.
Vorfreude auf die Fettbemme
Das längste Buffet der Welt reicht von Eisenach bis Schmiedefeld, habe ich mal gehört. Das erste Highlight von diesem Fressparcours ist definitiv der VP Glasbachwiese. Nach meinem Bericht und dem Fettbemmen-Selfie vom letzten Jahr schrieb mir Karin vom Helfer-Team: „Nur für dich werden wir die Schmalzbemmen mit noch mehr Liebe schmieren!“ – WOW. Danke. Gibt es sowas wie Fettbemmen-Influencer? Dann gehöre ich wohl dazu.
So zwei bis drei von den Stullen kann ich sicher vertragen. Ist schließlich noch weit bis ins Ziel, da kann der Papa mal ordentlich zulangen. Es soll tatsächlich Teilnehmer des Rennsteiglaufs geben, die schwerer nach Hause kommen. Mal sehen, ob mir das auch gelingt.
Auf der Glasbachwiese, deren Hauptschauplatz heute ein Parkplatz ist, mach ich mich bereit, den Fettbemmen-Konsum gebührend zu zelebrieren. Das iPhone fürs Selfie rausholen, die GoPro starten, einen Wasserbecher und zu guter Letzt das Brot schnappen. Ich frage mich gerade, wo ich in dem Moment all die nötigen Hände herhabe, aber das tut eh nichts zur Sache, denn der Plan misslingt.
Die Jungs machen Druck. Möglichst wenig Zeit soll an den VPs verschwendet werden. Um Himmels willen, habe ich mich etwa doch der völlig falschen Gruppe angeschlossen? Hastig greife ich zu einer Schnitte und renne mit Heidi Klums piepsiger Stimme im Ohr („Ich habe leider kein Fettbemmen-Selfie für dich!“) den Beiden hinterher.
Hach!
Noch sind wir in der Phase, wo wir die Landschaft genießen können. Guck mal da – die Wartburg. Guck mal dort, die mega Aussicht. Ohne Witz: Die Strecke ist wirklich wunderschön, vor allem wenn das Wetter mitspielt. So wie heute. Hach!
Besonders lange können wir den Fokus allerdings nicht auf die Natur richten, denn jetzt ist erstmal aktives Dehnen angesagt. Genau hier habe ich letztes Jahr meine Muskelkette verflucht. Doch während sie damals hart wie Beton war, lässt sie heute in einer beinahe gleichgültigen Art und Weise alles über sich ergehen. Herrje, was soll ich später denn in dem Blogbericht schreiben?
Hoch oben auf dem Großen Inselsberg ist DER Hotspot, wenn es darum geht, den Lauf bebildert festzuhalten. Wie japanische Touris steht die Läuferschar in Reih und Glied, um sich zusammen mit den beiden Sendetürmen pittoresk in Szene zu setzen. Ich bin gerade dabei für ein Selfie mein iPhone zu zücken, da machen die Jungs schon wieder Druck und wollen weiter. Sicher haben sie Bock auf eine Fettbemme. Bis zum nächsten VP ist es ja nicht mehr weit.
Kurz bevor wir uns auf den steilen Weg hinunter zur Grenzwiese machen, höre ich jemanden rufen: „Martin? Martin Sauer? Ich bin die Frau von Stefan!“ Annette ist eine Nette (boah, den Spruch hat sie sicher noch nie gehört!) und wünscht mir einen guten Lauf. Sie will also nicht, dass mich Stefan wieder bei Kilometer 42 einholt und mir den Ausstieg beim Grenzadler anpreist. So, wie letztes Jahr. Okay, Annette. Ich werde mir Mühe geben.
Vorfreude auf die Fettbemme. Reloaded.
Autsch. Das geteerte Bergabstück hinunter zum VP Grenzwiese bei KM 26,4 habe ich gar nicht so ekelhaft in Erinnerung. Unterhalb der Kniescheibe verspüre ich beidseitig ein Stechen. Fängt das Leiden jetzt schon wieder an? Dabei habe ich doch gar nicht das Buch gelesen – ihr wisst schon, das von Adharanand Finn. Vorsichtshalber lasse ich das mit dem schnellen Laufen und beschränke mich auf flottes Gehen. So funktioniert’s.
Die Jungs sind längst außer Sichtweite. Bestimmt stehen die schon unten am VP und haben eine Fettbemme Vorsprung, wenn ich eintrudle. Doch was ist das? Die stehen schon an der Kreuzung hinter dem Stand, vertilgen Bananen und warten, dass wir endlich weiterkönnen. Bananen! Ey, ihr BANANAusen. Na gut, wieder keine Fettbemme. So wird das nix heute.
Halbzeit & Haferschleim
Seht ihr, es geht doch wieder ständig ums Fressen: Meine Ersatzdroge wird fortan der Haferschleim sein. wenn wir gleich die Ebertswiese erreichen, wird sich der ein oder andere tatsächlich eine Bockwurst einverleiben. Könnte ich nicht. Mal abgesehen davon, dass ich generell selten Fleisch esse (ja doch, die Kloßparty war mal eine Ausnahme), würde mir die Wurst die komplette zweite Hälfte lang aufstoßen. So ein Fehlgriff bei der Ernährung während eines Ultras muss nun wirklich nicht sein.
Genau aus diesem Grund greife ich an der Ebertswiese zum Haferschleim. Da kann nichts schiefgehen. Gerade habe ich den Becher in der Hand, taucht plötzlich Thorsten auf und übernimmt die GoPro für ein Foto. Das ist ja mal Service hier. Na, der Thorsten ist ja eh ein feiner Kerl. Mit dem hat man immer viel Spaß auf der Strecke. Wenn er denn nicht immer so schnell wieder weg wäre. Und Tschüss…
Allein im Wald
Weiter geht’s also mit den Jungs, von der Ebertswiese zunächst erstmal bergauf. Ich weiß nicht, was da dem Haferschleim beigemischt wurde, aber irgendwie läuft es gerade wie von allein. „Mach du ruhig dein Tempo“ ruft mir Chris zu. Huch, diese Situation habe ich mir eigentlich genau andersrum vorgestellt – nach den Erfahrungen im letzten Jahr. „Nee nee. Lass uns mal zusammen weiterlaufen“ entgegne ich. Sicher kommt der Punkt, an dem wir uns gegenseitig pushen müssen.
Kennt ihr diese Geschichten von Eltern, die aus Versehen ihre Kinder an der Raststätte vergessen? Ist ja so ruhig im Auto, Blick auf den Rücksitz: Huch!
Meine Opfer sind plötzlich nicht mehr da. Weg. Johannes ist ja recht groß, den müsste ich eigentlich sehen. Okay, irgendwann werden wir schon wieder aufeinandertreffen. Dann renne ich erstmal alleine weiter. Allein mit über 2000 anderen Teilnehmern.
Unschöne Erinnerungen
Der Trennungsschmerz ist noch ganz frisch, da kommen bei Kilometer 40 unschöne Erinnerungen hoch. Ungefähr hier fing das Drama im letzten Jahr so richtig an. Kurz hinter dem 40 KM Schild musste Ron letztmalig meine Wade beackern. Dass es nicht geholfen hat, lag sicher nicht an ihm. Gerade bin ich ziemlich erleichtert, dass heute keiner den Ersatzphysio mimen muss.
Derartig motiviert und frohen Mutes hangele ich mich zum nächsten Meilenstein. Der Marathon steht auf der Uhr. Viel langsamer war ich letztes Jahr auch nicht, aber da hatte ich die Zeit in der zweiten Hälfte des Rennens verloren. Heute soll das anders werden. Geht ja schließlich fast nur noch bergab.
Der kleine Hunger ruft auch schon wieder. Gut, dass der nächste VP nicht mehr weit ist. Ich glaub, ich nehme nochmal was von dem Haferschleim. Der hat nämlich weitaus besser geschmeckt als er aussieht.
Wenn es um das Lob für die Helferinnen und Helfer geht, bin ich nicht geizig. Mit einem „Lecker, ihr habt den besten Haferschleim am ganzen Stand!“ bedanke ich mich artig. „Hinten rechts gibt’s auch noch welchen!“ entgegnet man mir. „Ah okay, dann bekommen die den gleichen Spruch von mir zu hören.“ Wir lachen laut gemeinsam, dann mache ich mich wieder auf die Socken.
Kurzzeitopfer
Kurz nach dem VP treffe ich wieder auf Thorsten. Einerseits beruhigend, dass er sich noch nicht so weit von mir entfernen konnte. Andererseits auch völlig normal, denn der Junge hat manchmal die seltsamsten Anwandlungen, was er sofort zu untermauern weiß: “ Martin, was hältst du davon, wenn wir mal ein wenig Abwechslung reinbringen? Wir bleiben immer für eine Minute stehen und dann ballern wir 5 Kilometer so schnell es geht.“ „Ähh, nein.“ entgegne ich. Als Kurzzeitopfer fällt er also aus.
Unsere Zweisamkeit hält die nächsten Kilometer in einer Art On-Off-Beziehung. Mal ist er da, mal ist er weg. Wie auch immer – es sorgt für Abwechslung.
Wo man bei Thorsten aber immer drauf zählen kann: Genau dann, wenn man sich bei einem Ultra in der kritischen Phase befindet, versucht er einen zur Teilnahme bei einer weiteren Veranstaltung zu überreden. „In zwei Wochen ist der Urwaldsteig-Ultra am Edersee. 66 Kilometer. Kommste mit, oder?“ „Ääh, nein.“
Beim Grenzadler steigt man nicht aus!
Selbe Überschrift wie letztes Jahr. Nachhaltigkeit kann ich. Hat aber was damit zu tun, dass ich heute keine Minute daran gedacht habe, hier das Rennen zu beenden. Schon allein aus dem Grund, weil ich euch noch etwas was zu Lesen liefern will.
Kaum piepst die Matte der Zeitnahme, trudelt eine Nachricht der Holden rein. Sie verfolgt zu Hause den Lauf mit dem Tracking der Website. Das scheint also ziemlich zeitnah zu funktionieren.
Das kannste schon so machen…
…aber dann isses halt kacke – so in der Art könnte man das umschreiben, was nun kommt. Bisher lief alles ziemlich gut. Habt ihr gemerkt, oder? Ich könnte behaupten, das nun folgende Dilemma habe ich extra veranstaltet, damit der Spannungsbogen dieses Beitrags dem Anstieg des Inselsberges gleicht. Aber so ist es nunmal nicht.
Am VP Sommerwiese haben sie liebevoll zubereitet Apfelringe im Angebot. Schön dünn geschnitten, beinahe wie ein Origami. Da greife ich doch mal zu. Ach komm, was soll der Geiz? Nimm zwei, so heißt es doch. Und noch ’ne Zitrone hinterher kann auch nix schaden. Guck mal, Martin – der Mensch vor dir duckt die Zitrone in etwas Salz. Noch habe ich keine Krämpfe. Das soll auch so bleiben. Also schließe ich mich mal an. Ach? Ihr ahnt, wie es weitergeht?
Logisch ahnt ihr es. Hinterher denke ich auch: Wie doof muss man eigentlich sein? Dass der Magen jetzt Amok läuft (Immerhin: DER läuft, ich nicht) war eigentlich erwarten. Und das ausgerechnet jetzt, wo der anstrengende Anstieg zum Großen Beerberg bevorsteht. Machen wir es kurz – ich erspare euch weitere Details.
Am VP Schnaps läuft man nicht vorbei!
Ich zitiere mal Doreen, die nach dem heutigen Lauf in der Facebook-Gruppe vom Rennsteiglauf folgendes posten wird: „Und eine Sache hab ich mir aus dem Bericht von Martin Sauer, welchen ich unzählige Male im Vorfeld gelesen hatte, gemerkt: Am VP Schnaps, da läuft man nicht einfach so vorbei, und das auch nicht beim ersten Mal!“
Ja, Doreen. Recht hast du. Wie ich Katja schon in der Kloschlange versprochen habe, mache ich selbstredend Halt am wohl kultigsten VP der Läuferszene. Der @VPSchnaps steht übrigens nicht nur am Rennsteig bereit, um euch mit allerlei Hochprozentigen zu versorgen. Auch beim TAR und beim ZUT dürft ihr euch einen einlöten, falls euch danach ist.
Trotz oder gerade wegen der Magenprobleme verzichte ich auf zusätzliche Experimente in Form des Konsums der durchaus üppig bereitstehenden Alkoholika. Wenn es noch etwas mit einer Zeit von unter 9 Stunden werden soll, muss ich jetzt mal Gas geben.
Während bergauf die Hüftbeuger scheinbar auf den Magen drücken, läuft es bergab ohne Probleme. Sofern man das mit über 60 Kilometern in den Beinchen denn behaupten kann. Eigentlich würde ich mich jetzt auf den VP Schmücke freuen, aber beim Gedanken an eine Nahrungsaufnahme kommen mir beinahe die Apfelbröckchen hoch. Oh, sorry. Ich wollte ja keine Details…nun, zu spät.
Das ist schon beinahe schändlich, hier nicht zuzugreifen. So liebevolle dekorierte Schnittchen gibt’s sonst nur auf Goldenen Hochzeiten und Beerdigungen. Rieche ich etwa gerade Thüringer Bratwurst? Schnell die Flask mit Wasser auffüllen und weg hier, sonst werde ich unvernünftig.
Endspurt
Als ich gerade so den Gipfelweg runterballere, wundere ich mich arg, wie gut das gerade funktioniert. „Dran bleiben, Martin. Irgendwo bei Kilometer 70 kommt wieder eine Steigung. Da musst du gehen!“ denke ich. Also erstmal mitnehmen, was so geht. Unglaublich – die Uhr zeigt gerade eine Pace von 4:50 an. Dabei habe ich mir noch nicht mal einen Aperol beim VP Schnaps gegönnt!
Apropos Alkohol. Gleich kommt der VP Kreuzweg, auch Bierfleck genannt. Normalerweise gehört es sich – so sagt man – dass man sich dort ein oder auch mehrere Köstritzer reinzieht. Hätte ich in der Tat tatsächlich mittlerweile Bock zu, aber mein Magen hat sich gerade einigermaßen beruhigt. Außerdem tendiere ich nach dem just erlebten Temporausch dazu, mein gestecktes Ziel von unter 9 Stunden ein wenig aufzupimpen. 8:45h müssen drin sein, wenn ich der GARMIN glaube. Und die lügt NIE. Außer letztes Jahr, wo sie im Ziel „Unproduktiv“ als Trainingsresultat angezeigt hat. Lange Rede, kurzer Sinn: Den VP lasse ich rechts liegen.
Auf den letzten Kilometern von Schmücke bis ins schönste Ziel der Welt, so entnehme ich später der Ergebnisübersicht, überhole ich sage und schreibe 55 Läufer. Keine Ahnung, welcher Teufel mich da geritten hat. Aber irgendwie war es geil.
Apropos geil. Ja, heute ist der Zieleinlauf wirklich geil. Da stehen tatsächlich noch Menschen, die einem zujubeln. Ich muss wieder etwas heulen. Dieses Mal nicht, weil ich es geschafft habe. Nein, ich bin mega erleichtert, dass es so toll geklappt hat. Tatsächlich kann ich diesen Lauf auch beenden, ohne mich zu quälen. Noch vor dem neu gestalteten Zielbogen steht fest: Nächstes Jahr wieder!
Epilog
Am Montag nach dem Lauf schreibt mir Karin vom VP Glasbachwiese, dass sie dort die ganzen Fettbemmen nur für mich geschmiert haben. Ich Idiot. Wieso hatte ich keine Tupperdose dabei? Im Ernst: Genau das sind so Dinge, die den Rennsteiglauf so besonders machen. Mit wieviel Liebe alle dabei sind, ob laufend oder helfend – einfach großartig. Danke! ❤️
29 Kommentare
Comment by Marek
Marek 17. Mai 2023
liest sich doch sehr souverän, was du abgeliefert hast! auf jeden Fall viel vom letzten Jahr mitgenommen (also so Lehren) und gut umgesetzt.
2024 dann unter 8h?
LG
Marek
Comment by Martin
Martin 17. Mai 2023
Danke, Marek. Sub 8 wäre wahrscheinlich etwas zu ambitioniert. Ich glaube die Geschichte mit dem Apfel hat mich so ca. 30 Minuten gekostet. Da muss schon viel gut laufen, dass es für die Zeit reicht. Aber irgendein Ziel muss man ja haben.
Comment by Schalk
Schalk 22. Mai 2023
Hab mal in deine Zwischenzeiten geschaut. Ich glaube nicht, dass dich die Magenprobleme ab VP-Sommerwiese 30min gekostet haben – gefühlt vielleicht, real eher nicht. Zieht man von deiner Zeit ab Grenzadler 30min ab, bleiben rund 1:40h für den Abschnitt. Der Abschnitt wird selbst im vorderen Bereich aber nur wenig zwischen 1:30 und 1:40h gelaufen. Potential sehe ich dann eher bis VP-Grenzwiese und etwas noch auf den folgenden km bis Ebertswiese – so du über eine Verbesserung der Zeit nachdenken solltest. Wieviel Zeit an den VPs „liegen blieb“ ist dann noch eine weitere Sache. Aber Laufen soll ja auch Spaß machen und hungrig in Schmiedefeld ankommen, muß man auch mögen – weiß ein Schalk.
Comment by Martin
Martin 22. Mai 2023
Ja, da hast du sicherlich recht. 30 Minuten ist wohl übertrieben. Die Wahrnehmung wird jetzt von Tag zu Tag klarer. Bis zum nächsten Jahr kann eh noch viel passieren, so dass ich mich vor dem Wettkampf eh noch mal neu „einsortieren“ muss.
Comment by Daniel
Daniel 17. Mai 2023
Nochmals herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Finish Martin.
Ein super lesenswerter Bericht. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr mit einem Treffen in Eisenach.
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Ja, das wäre fein. Ich bin schon angemeldet. It’s your turn!
Comment by Frank Lo
Frank Lo 18. Mai 2023
Mega Bericht! Herzlichen Glückwunsch! Habe den Beitrag gerade Nina vorgelesen! Herrlich!
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Danke, dir auch. Ich freu mich schon auf dein Video!
Comment by Mel
Mel 18. Mai 2023
Was für ein toller Bericht! Und ich hab’s sogar auf eins deiner Fotos geschafft Sooo blöd sieht man also aus, wenn man sich gerade ein Gel einverleibt. :-p
Liebe Grüße
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Pro-Tipp: Fettbemmen sind dekorativer!
Danke dir. Und Gratulation zum tollen Finish.
Comment by Eric
Eric 18. Mai 2023
Schöner Bericht, danke. Komme nächstes Jahr vll. auch mal mit. Habe heuer parallel mal die 100km Megamarsch München absolviert. Rennen wäre aktuell leider so weit nicht möglich.
Aber wäre gerade wegen Deines Säureproblems unterwegs nicht eine Beruhigung durch erneuten Haferschleim oder trockenes Brot sinnvoll gewesen? Alternativ dunkle Schokolade mit viel Kakao. Hab da gute Erfahrungen. Leider.
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Ich weiß gar nicht mehr, ob die bei Schmücke (KM 65) Haferschleim hatten. Wahrscheinlich schon. Allerdings wollte ich da nichts mehr riskieren. Da ging’s mit dem Magen gerade so wieder, deswegen habe ich da nur Wasser nachgetankt. Dunkle Schokolade gab es aber definitiv nicht.
Comment by Schalk
Schalk 22. Mai 2023
Schmücke gab es Schleim; VP-Sommerwiese eher nicht. Der VP scheint mir mehr so „der“ HM-VP zu sein.
Comment by Oliver
Oliver 18. Mai 2023
Herzlichen Glückwunsch zum Finish, aus Fehlern gelernt, neue (kleine) Fehler gemacht, so muss das sein.
Apfel niemals essen! Nur drauf rumkauen und dann wieder ausspucken (klappt zumindest bei mir). Ich bin immer wieder erstaunt wieviel andere so auf den diversen Rennen verdrücken können, aber das Angebot hier ist auch schon echt unvernünftig üppig
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Vielen Dank, Oliver.
Äpfel stehen bei mir ab sofort auf dem Index. Zumindest beim Laufen. Muss ich nicht nochmal haben. Ich weiß auch nicht, wieso ich nicht die Bananen genommen habe. Die gehen immer.
Comment by Jörg
Jörg 18. Mai 2023
Toller Bericht von einem tollen Lauf
Viele Grüße
Jörg
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Danke, Jörg!
Comment by Michael Schmidt
Michael Schmidt 18. Mai 2023
Schöner Blog und Danke für Erinnerungen auch wenn es bei mir etwas anders war aber das hast du gelesen. Manches habe ich anders gesehen und erfahren aber egal, der Rennsteiglauf ist etwas besonderes und immer eine Erfahrung. Schade dass wir uns nicht begegnet sind, war eben in diesem Jahr zu langsam für dich. Irgendwann klappt es schon mal.
Comment by Martin
Martin 18. Mai 2023
Ja, Michael. Auf so einer langen Strecke kann viel passieren. Da liegen Freud und Leid dicht beieinander. Bist du schon angemeldet für 2024?
Comment by Michael Schmidt
Michael Schmidt 18. Mai 2023
Nein, ich laufe erst zum 55. wieder den Rennsteiglauf. Alle 5 Jahre reicht mir, für mich gibt es schönere Läufe. Mir ging es gut und ich hätte mir durchaus 7:45 Stunden zugetraut. In diesem Jahr habe ich aber andere Aufgaben zu erfüllen gehabt. Davon erfuhr ich aber erst Freitag Abend. Einen Läufer das erste Mal über so eine Distanz zu bringen war aber auch eine ganz besondere Erfahrung.
Für mich war es ein langer Trainingslauf der im Regenerationsbereich stattgefunden hat mit der Erkenntnis auch 10 Stunden kann ich noch durchhalten. Die nächste Möglichkeit zu testen wie weit ich im Training bin gibt es zum Sachsentrail Ende Juni.
Comment by Sabine
Sabine 19. Mai 2023
Lieber Martin, ein sehr schöner und lustiger Bericht, ich wollte einmal, nur einmal das Rennsteigfeeling erleben und finishen. . . . 2018, 67 Jahre jung, hab ich es geschafft, sub Torschluß war mein Ziel und ich bin sehr vorsichtig gelaufen und die letzte Abwärtsstrecke auch nur gegangen. Der Schleim war Manna für mich, und zwei Apfelstückchen rechts und links in die Backen geklemmt waren kilometerweit Labsal . . . so ist jeder Magen ein Individuum.
Comment by Martin
Martin 19. Mai 2023
Wow. Hut ab, Sabine. Mit 67 würde ich da gerne auch noch dabei sein. Bis dahin sollte ich das mit der Nahrungsaufnahme perfektioniert haben.
Comment by ultraistgut
ultraistgut 23. Mai 2023
Man könnte blind sofort wissen, wer hier eine ellenlangen Bericht über den Rennsteiglauf geschrieben hat, es gibt wohl kaum jemanden, der es dir gleich getan hat !! Ausdauer halt, sag ‚ ich doch. Man muss sich schon Zeit nehmen, um das Abenteuer in deinen Worten komplett zu lesen, aber es ist ja – wie gehabt – kurzweilig, amüsant geschrieben.
Hast dich ganz schön verbessert, kannst wirklich seeeeeeeeeeeeehr zufrieden sein, bist es auch !!
Die Essensangebot am Rennsteig sind enorm, ich habe damals so gut wie gar nichts gegessen, bin sowieso kein großer Esser bei Ultras, habe die Leute fast ein wenig beneidet, die in der Lage waren, Schmalzbrote zu verputzen, das kann ich nicht einmal im normalen Leben !!
Bin damals in 7:22 – auch total happy – ins Ziel eingelaufen, war allerdings ein paar Jährchen jünger !!
Gut gemacht, jetzt geht es dir bestimmt schon wieder gut und du kannst du nächsten Abenteuer planen – YES !!
Comment by Martin
Martin 23. Mai 2023
Danke, Margitta.
Von den Beinen her ging es schon am folgenden Dienstag wieder, doch dann meinte meine Nase, selber noch mal einen Supermarathon laufen zu müssen. Da hat das Immunsystem wohl den mahnenden Finger erhoben.
Comment by Andreas
Andreas 29. Mai 2023
Langer Lauf, langer Bericht, so muss das sein Hat mich wieder sehr gefreut, mit dir einen Ultra (lesend) zu erleben, das klang nach einem wirklich tollen Lauf, so gut wie du dort angekommen bist. Allein die nur zweimalige Verwendung des Wörtchens „pittoresk“ hat mich erstaunt…
Schöne Grüße, Martin, mach weiter so!
Comment by Martin
Martin 29. Mai 2023
Oh, tatsächlich. Nur zweimal pittoresk. Vielleicht sollte ich doch mal einen 100er planen, dann reicht’s für drei.
Comment by Thomas
Thomas 1. Juni 2023
Herzlichen Glückwunsch zu dem sehr gelungenen Läufchen.
Nach eigener, dreimaliger Teilnahme und zweimaligem Finish kommt bei mir eine Menge „Hach!“ und „Ach, ja…“ auf.
Die letzten zwei Jahre war es nicht drin, aber irgendwann bin ich auch wieder einmal auf dem Rennsteig.
Viele Grüße und danke für den schönen Bericht!
Thomas aka Lennetaler
Comment by Martin
Martin 1. Juni 2023
Vielen Dank, Thomas.
Ja, der Rennsteig kann in der Tat süchtig machen. Nicht ohne Grund ist der Lauf Kult. Ich drück dir die Daumen, dass du bald wieder dabei bist!
Comment by Chris K.
Chris K. 29. Juli 2023
Ich tue mich auch immer sehr schwer, jemanden zu finden, der bei sowas mit mir mitläuft. Jetzt mache ich – und auch die laufenden Freunde – das wirklich nur als kleines Hobby und ohne große Ambitionen, aber ich denke, das ich genau der Grund, warum die meisten bei sowas dann sagen, „kein Bock“, „zu warm“, „zu kalt“…
Also am Ende dann doch Bockwurst & Bier am Ziel – eigentlich könnte man dann auch zum Fußball gehen am Wochenende.