Mich umfleucht stets ein leichtes Misstrauen, wenn mit Superlativen um sich geworfen wird. Die gerade erst aus dem Nest gefallene, also noch blutjunge Marke True Motion proklamiert den perfekten Schuh für beschwerdefreie Freude am Laufen entwickelt zu haben.
Auch nach jahrelanger Testerei – den perfekten Laufschuh habe ich bis dato noch nicht gefunden. Beschwerdefreies Laufen? In meinem Alter? Bei meinem Laufstil? Come on, you’re kidding. Und jetzt soll ausgerechnet dieser Schuh mit dem seltsamen U mich wie auf Wolken in den Läuferolymp tragen? Wäre ja zu schön. Hufeisen bringen bekanntlich Glück. Warum also nicht?
True Motion? Nie gehört. Oder doch?
Hand auf’s Herz. Kennt ihr True Motion schon? Immerhin hattet ihr seit 2018 Zeit, Bekanntschaft mit der Marke zu machen. Gegründet wurde sie tatsächlich in Deutschland, genauer gesagt in Münster und in Köln. Mit Andre Kriwet, Christian Arens und Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann steht da eine Mannschaft hinter, die schon über 25 Jahren gemeinsam in der Laufsportindustrie forscht und entwickelt.
Andre Kriwet ist mir einst aufgefallen, als er 2016 beim Fat Boys Run Podcast zu Gast war. Damals war er noch für Brooks tätig. An die Folge des Podcasts kann ich mich noch genau erinnern. Ich hab sie auf einem langen Lauf zur Marathon Vorbereitung gehört und war total überrascht, wie schnell die 30 Kilometer vorbei waren – so interessant war das, was er erzählt hat. Okay, ich schweife ganz schön ab – ihr wollt sicher wissen, wie mir der True Motion U-TECH Aion gefallen hat.
First Look: Der True Motion U-TECH Aion
Im noch recht überschaubaren Portfolio der Marke ist der U-TECH Aion die Allzweckwaffe. Er ist der große Bruder und die Luxusversion des Nevos, mit dem True Motion den Laufschuhmarkt überrascht hat. Insgesamt ist der Aion komfortabler und besser gedämpft. Als großer Bruder darf er auch ein wenig mehr Gewicht auf die Waage bringen. In meiner Größe (US 10,5) sind es 315 Gramm. Damit passt er nicht mehr in die Kategorie Lightweight Trainer, in der ich normalerweise unterwegs bin.
Von den drei Colourways, in denen der U-TECH Aion derzeit erhältlich ist, habe ich die schwarze Variante erhalten. Das trifft sich super, denn sie gefällt mir am besten.
Schon optisch verspricht der U-TECH Aion einiges an Komfort, angefangen vom luftigen Mesh, der gepolsterten Fersenkappe mit dem markanten Stützelement. Und ja, da wäre sicher noch die etwas ungewöhnliche Mittelsohle, die da förmlich ins Auge springt. Wieso die wohl so rund ist? Versaue ich mal wieder den Spannungsbogen, wenn ich vorwegnehme, dass das Aussehen auch einen Sinn hat?
Kim Kardashian wäre neidisch, wenn sie den U-TECH Aion von hinten sehen würde, wetten? Was sich da als Rundung präsentiert, ist allerdings weniger aufgrund optischen Gründen entwickelt worden, sondern hat spannende technologische Hintergründe, die ihr euch unbedingt mal durchlesen solltet.
Die Verwandtschaft zum Nevos offenbart sich erneut bei der Sohle des Aion. Die zwei U-förmigen Elemente unter dem Schuh sind beim Aion zu einem umlaufenden Ring verbunden worden. Diese Evolution wird als Full Lenght U-Tech bezeichnet. Im mittleren Bereich ist die neu konstruierte 3D‑MotionBridge zu erkennen, die den Vorfuß und den Rückfuß miteinander koppelt.
Der U-TECH Aion besitzt ein neu konzipiertes, doppellagig engineertes Meshmaterial mit einer guten Atmungsaktivität. Auch ohne verstärkende Elemente, von der Fersenkappe abgesehen, bietet der Schuh einen guten Halt mit einer großzügigen und komfortablen Passform.
Apropos Komfort: Da haben es die Jungs von True Motion wirklich gut gemeint, wenn es um die Polsterung der Fersenkappe und der Zunge ging. Das, was da an Material verbaut wurde, hat beinahe die Qualität eines Boxspringbettes. Übertrieben haben sie es mit der Aussage, dass der Aion ein Komfortwunder ist, also wahrlich nicht.
Der True Motion U-TECH Aion in der Praxis
Gleich eine Warnung vorweg. Es macht meines Erachtens wenig Sinn, den True Motion U-TECH Aion im Geschäft auszuprobieren. Die paar Meter durch die Regalreihen des Ladens oder ein paar Minuten auf dem Laufband vermitteln nicht das, was sich bei einem Lauf in freier Wildbahn ergibt.
Als ich den U-TECH Aion das erste Mal am Fuß hatte, hätte ich nicht gedacht, dass wir beide in irgendeiner Art Freunde werden. 10 mm Sprengung? Damit bin ich schon lange nicht mehr gelaufen. Ich kam wir regelrecht vor wie in Pumps. Grundsätzlich bin ich aber ein experimentierfreudiges Kerlchen und da der Sonntag noch nicht verplant war, schnappte ich mir den großen Nevos-Bruder und tat das, was man normalerweise tunlichst nicht machen sollte.
Üblicherweise bin ich bei neuen Testschuhen zaghaft und probiere sie zunächst erst auf der kurzen Hausrunde aus. Beim U-TECH Aion galt: Entweder Top oder Flop. Also ab auf die Halbmarathon-Distanz und schauen, was bei rum kommt. Auf den ersten Metern schon Entwarnung: Die Fersenhöhe relativiert sich, da die Ferse tatsächlich in das U-Element eintaucht. Dabei zeigte sich, wie aktiv diese Dämpfung ist. Ich bin ja schon viele Schuhe gelaufen, aber solch einen Trampolineffekt hatte ich noch nie.
„Hey, das macht tatsächlich Spaß!“ dachte ich mir. „Lassen wir es mal ein wenig flotter angehen.“ Und so kam es, dass ich nach der Hälfte der Strecke noch immer lockere Beine hatte. Negativer Split? Warum nicht. Machen wir es kurz – meine Bestzeit auf der Halbmarathon-Distanz ist eine 1:31:31. Für einen Trainingslauf war das also gar nicht so übel…
Mein Fazit zum True Motion U-TECH Aion
Eine echte Überraschung: Der U-TECH Aion von True Motion hat mich auf den ersten Metern von der Technologie überzeugen können. Der Schuh läuft sich ungemein komfortabel und tatsächlich hatte ich bei längeren Einheiten ein beschwerdefreies Laufvergnügen – wenn das die Marketingabteilung von True Motion liest. Die Gefahr besteht allerdings, dass man wegen all des Luxus zum Fersenläufer mutiert. Also Vorsicht!
Einziger Kritikpunkt: Bei der Fersenkappe darf es gerne etwas weniger Polster sein. Beim Anziehen habe ich jedesmal das Problem, dass ich das Material in den Schuh trete. Entweder müsste die Kappe noch etwas hochgezogen oder aber weniger Polster verwendet werden. Ansonsten: Feiner Schuh!
Für die Transparenz
Der True Motion U-TECH Aion wurde mir für diesen Test kostenlos zur Verfügung gestellt. Den Bericht habe ich aus freier Hand geschrieben. Es wurde keinerlei Einfluss auf den Inhalt oder die Bewertung genommen.
4 Kommentare
Comment by Thomas
Thomas 28. November 2021
Puh, das ist ja nochmal gut gegangen. Ich war mir beim Lesen lange nicht sicher, welches Urteil am Ende rauskommen wird. Das mit dem Testen in freier Wildbahn kann ich auch nur bestätigen: die TrueMotions laufen sich so anders, dass man ihnen ein bisschen Zeit (und Meter) geben sollte.
Comment by Martin
Martin 28. November 2021
Ach. Habe ich den Spannungsbogen doch nicht versaut?
Ja, die True Motions sind definitiv anders.
Comment by Alex
Alex 20. Dezember 2021
Ahoi Martin,
hatte schon auf Twitter angekündigt, dass mich dein Test sehr interessiert. Leider ist der Artikel etwas im Papierstapel nach unten gerutscht, sodass ich erst jetzt Zeit zum Lesen hatte.
Was mich noch interessiert, du bist den True Motion während des Trainings aber so gelaufen, als wäre es ein normale Lightweight Trainier? Deinem Bild nach zufolge würde ich das vermuten… Ergo wäre meine Schlussfolgerung, dass die U-Form im Fersenbereich nicht viel Sinn ergibt, da diese nur selten Kontakt zum Boden hat, oder sehe ich das Falsch?
Eine weitere Frage: Du schreibst, dass die 10 mm Sprengung nicht ins Gewicht fallen. Wie ist hier dein Eindruck nach ein paar km mehr auf der Uhr?
Cheers,
Alex
Comment by Martin
Martin 20. Dezember 2021
Hi Alex,
das Bild auf der Brücke kannst du nicht zur Beurteilung nehmen. Das ist zugebenermaßen gestellt.
Wie laufe ich einen Lightweight Trainer im Unterschied zu dem Aion? Nun, wie ich oben schon geschrieben habe, verleitet der Schuh schon ein wenig dazu, dass man sich beim Fersenlauf wohl fühlt. Ich hatte jetzt ein paar Läufe, wo mir nach dem Lauf das Schienbein unter dem Knie wehgetan hat. Ich bin mir aber nicht zu 100% sicher, ob es von dem Schuh kam und ob es mit der Sprengung zusammenhängt. Mit den HOKAs (alle 4-5mm) habe ich das Problem nicht, obwohl die ja auch ausreichend Dämpfung haben. Fest steht: Mit weniger Sprengung würde der Aion mir besser gefallen.