Vielleicht habt ihr auch solche Läufe, die ihr jedes Jahr fest in der Saisonplanung habt. An denen nimmt man teil – komme was da wolle. Das ging mir seit dem Start meiner Laufkarriere auch so. Nun ist es doch passiert: Ich war nicht dabei.

Wer nach der Einleitung meint, ich mache jetzt nebenberuflich Clickbaits für schlechte Tageszeitungen, den kann ich beruhigen. Keine Angst, wir kommen unmittelbar und gleich zur Auflösung. Der Kassel Marathon musste dieses Jahr leider dran glauben, denn dessen Termin kollidierte mit dem einer meiner absoluten Lieblingsevents.

Der HochRhön-BergTrail ist, wie es der Name vermuten lässt, ein Traillauf. Und da ich dem Straßenwettkampf schon vor Jahren Lebewohl sagen wollte, habe ich mich nicht besonders schwer bei der Entscheidung getan, wer von beiden der Favorit ist. Hinzu kommt, dass ich in der Rhön seit der Erstauflage immer dabei bin – in Kassel eher schlecht möglich.

Senior & Grand Master on Tour

Grandmaster Flash – der ist mir ein Begriff. Was es aber mit Senior Master und Grand Master auf sich hat, ist mir erst seit dem heutigen Tage bewusst. Wir verabschieden uns somit von den altbekannten AKs. Vielleicht hat es was damit zu tun, dass es für den Lauf erstmalig ITRA- und UTMB-Index-Punkte gibt. Geblieben sind uns immerhin die Stockerl und die Pokale. Hier gilt wie immer: Nicht draufsteigen. Nicht anpacken!

  • HochRhön-BergTrail 2025

Nach einer gemeinsamen und unterhaltsamen Anreise schaue ich also mit Grandmaster Eick beim Zeremonienmeister und Veranstalter Benne Beck vorbei. Der ist mittlerweile so populär, dass man für ein Selfie anstehen muss. Wer braucht also Ed Sheeran und Taylor Swift, wenn man all den Fame auch für wenig Startgeld in der Rhön haben kann?

HochRhön-BergTrail 2025

Ja, wer hat sich denn da ins nächste Bild gemogelt? Das ist doch der Oliver, der extra seinen Urlaub so geplant hat, dass er den BergTrail mitnehmen kann. Seine Frau hat sich sicher gewundert, wieso er diesmal nicht am Ballermann, sondern in der Rhön entspannen will.

HochRhön-BergTrail 2025

Der arme Kerl musste sich extra Schuhe kaufen, denn normalerweise trägt er nur Schluppen. Ich hab ja auch mal einen Wettkampf in Sandalen gemacht, aber einen Trailmarathon damit stelle ich mir heikel vor.

Schmerzalarm schon vor dem Start

Ich habe mir diesmal fest vorgenommen, euch nicht schon wieder einen vorzujammern, denn meine Berichte sind stets geschmückt mit einem bunten Potpourri an Mimimi. Doch dieses Mal war’s das Knie, was zickte, ausgelöst durch einen Beckenschiefstand. Das war wirklich… – ach nee. Lassen wir das. Wieso ich das jetzt doch erzähle?

Naja, da war dieses Aufwärmprogramm. Sicherlich gut gemeint. Aber wenn dir als Senior Master bereits bei der zweiten Übung der Schmerz ins zickende Knie sticht, fragst du dich schon, ob das mit den 43 Kilometern und 1300 Höhenmetern die geilste Idee ist.

Strategische Langsamkeit

Mit der nun vierten Teilnahme bin ich streckentechnisch ein alter Hase oder besser gesagt ein Fuchs. Ich weiß genau, wo ich Gas rausnehmen muss. Im Grunde – so wird es sich später herausstellen – überall, aber das wäre übertrieben. Irgendwann unter sechs Stunden sollte ich doch schon mal im Ziel eintrudeln.

Eine mehr als mäßige Vorbereitung legt allerdings nahe, mit den Körnern sparsam zu sein. Für ein paar Worte mit Oliver reicht es daher nur ein paar hundert Meter. Dann muss ich ihn ziehen lassen. Die Ritterschlucht und die folgenden Anstiege bis zum ersten VP nutze ich gekonnt zum strategisch langsamen Eingrooven.

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Die Quittung

Hä? Das ist doch die Sabrina, die da VP steht. Die habe ich eigentlich ganz vorne an der Spitze vermutet. Wie sich herausstellt, ist ihr Puls etwas zu hoch. Sie nimmt daher mal vorsorglich einen Gang raus.

Auf ein paar gemeinsamen Metern kann ich es natürlich nicht lassen, ihr vom Knie, dem Beckenschiefstand und den anderen Leiden zu erzählen. Das Mimimi muss halt irgendwo untergebracht werden, wenn nicht hier. „Wie alt bist du eigentlich?“ fragt sie mich. Vielleicht hätte ich es mit „Senior Master“ kaschieren sollen, so aber nenne ich das wahre Alter. „Ach du Scheiße!“ bekomme ich als Reaktion. Gut, das war die Quittung. Danke für den ersten Lacher des Tages.

HochRhön-BergTrail 2025

Derartig geschockt ergreift sie die Flucht. Ich hatte schon viele Reaktionen auf mein Alter, aber diese Kombination gibt mir zu denken.

Die Chance

Vor dem Rennen hatte ich mir fest vorgenommen: Wenn das mit dem Knie nicht hinhaut, läufst du einfach am Buchschirmberg wieder zurück ins Ziel. Und ich muss sagen: Das Knie ist schon eine kleine Drecksau!

Kurz vor dem Anstieg zieht’s im Muskel beim Knie (Hab gerade mal gegoogelt: Musculus gracilis heißt das Ding). „Na, willste nicht doch aufhören? Das ist DIE Chance!“ „Nee, Keule. Will ich nicht. Hab für den Kram hier bezahlt. Das probieren wir jetzt noch ein Weilchen. Halt’s Maul!“

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Meine Güte. Letztes Jahr hatten wir so eine Hitze, dass wir uns oben am VP mit Wasser übergießen lassen mussten, nur um dort nicht elendig zu verenden. Wie gut haben wir es da heute? Wäre doch eine Schande aufzugeben.

Und so kommt es, dass auch ich meinen Fame genießen kann (ja, Benne – du bist nicht der Einzige!). Man kennt mich nämlich hier am Stand. Noch vom letzten Jahr. Der Typ mit der GoPro und dem Blogbericht.

HochRhön-BergTrail 2025

Nächstes Jahr erwarte ich einen VIP-Bereich hier oben. In die Cola darf auch gerne etwas beigemischt werden. Whiskey, Cognac – keine Ahnung. Zur Not geht auch ein Aperol Spritz.

Ab in den Osten

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So. Noch ein kurzer Blick zurück, und dann gibt es keinen Weg mehr zurück. Okay, später schon. Aber jetzt geht es erst mal ab in den Osten. Rübermachen nach Thüringen. Gab’s vor einiger Zeit auch – nur andersrum. Und etwas beschwerlicher als am heutigen Tag.

In der Thüringer Rhön angelangt, erwartet mich oben auf dem Ellenbogen Noahs Segel und ein schon legendärer Ausblick. Ob mich Sabrina auch erwartet hat? So ganz schlüssig, ob sie das Ding hier heute fortsetzen will, ist sie sich nicht gerade.

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Ich erinnere mich kurz an das Zwiegespräch mit meinem Knie. Das ist mittlerweile ruhig. Ein wenig Motivation kann ich ihr also abgeben. Und so kommt’s, dass wir ein, zwei Becher Cola später das Abenteuer fortsetzen. „Du läufst etwas unrund!“ bekomme ich dafür als Dank zu hören. „Ach, echt?“ – Zack, ist sie wieder weg.

Das Jammertal

Der Grenzadler der Rhön, so könnte man es nennen. Nur dass man hier nicht in die Wertung kommt, wenn man aussteigt. Während man beim Rennsteig als Finisher geführt wird, wenn man in Oberhof vorschnell das Handtuch wirft, dürfte man in Oberweid eher vor der Frage stehen, wie man wieder zurück ins Ziel kommt. „Shuttlebusse? Ham wa nich!“

Jedenfalls stehe ich mit dem Ort auf Kriegsfuß. Nach dem ewigen Downhill hinunter bis in den Ort, bei dem man sich seine Beine total zerschrottet, zermürbt einen die Aussicht auf den Anstieg zurück in den Westen. Der einzige Lichtblick ist der VP, der kurz vor dem stupiden Höhenmeter-Massaker für das leibliche Wohl sorgt. Genau genommen sind’s die lieben Menschen dort – und hey, ich sage nur „VIP-Bereich“. Ich bin schon wieder erkannt worden, und die La-Ola-Welle ging ohne die Ausübung von körperlichem Zwang über die Bühne!

HochRhön-BergTrail 2025

Die Umleitung

Dass aus den ausgeschriebenen 42k letztendlich 43,6 Kilometer werden, haben wir einer Kuhherde zu verdanken, die mitten auf der Strecke wohl das Gras für am schmackhaftesten erachtet. Sowas ist nicht Neues für mich, hier war’s ähnlich – nur halt „in Jagd“. So kommt es, dass wir uns dem höchsten Punkt der Strecke von hinten anpirschen. Nach all der Schinderei raus aus Oberwied kommt es darauf nun auch nicht mehr an.

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Der nicht enden wollende Endspurt

Rein vom Gefühl her läufst du ja nach der Landesgrenze wieder zurück ins Ziel. Also, von da aus, wo der VP steht, an dem man zweimal vorbeikommt. Das ist mental grundsätzlich schon einmal positiv. Da wären allerdings zwei Punkte, die mir erst wieder während des Laufs klar geworden sind:

BIS du zu diesem VP kommst, musst du diesen elendigen, hubbeligen, nicht enden wollenden, verf***ten Wiesenweg langrennen, bei dem der ohnehin schon leidende Rücken in allen Fasern malträtiert wird, weil man natürlich KEIN Stabitraining gemacht hat.

WENN du diesen VP läufst du natürlich NICHT direkt zurück, sondern machst noch mal einen großen Bogen auf drögen Forststraßen, bis du endlich dieses Bild vor Augen hast…

HochRhön-BergTrail 2025

Das ist dann der Punkt, wo ich sage: „Hey, du hast es geschafft.“ Klingt vielleicht komisch, ist aber so. Und selbst den darauffolgenden kleinen Anstieg bis hin zu diesen feinen Menschen hier – den laufe ich durch.

HochRhön-BergTrail 2025

So trägt mich die letzte La-Ola-Welle des Tages regelrecht um die Ecke. Fast reicht es dazu, dass ich den nun folgenden himmlischen Trail unvernünftig runterballere. „Ey, du willst doch jetzt auf den letzten Metern keinen Scheiß machen, oder?“ ermahnt mich das Knie. Ja, meine Güte. Es hat ja recht.

HochRhön-BergTrail 2025

Sentimental auf den letzten Metern

Von einem „Warum gebe ich mir das nur immer wieder?“ bis hin zum „Och, Mensch. Gleich ist schon wieder alles vorbei!“ vergehen unter Umständen nur Minuten. Gerade bin ich an dem Punkt angelangt, an dem ich arg zufrieden mit der Gesamtsituation bin.

„Was ein Idiot“, werden sie denken – die Kühe, als ich ihnen ein „Na, Ihr!“ entgegenrufe. „Du komischer Vogel, mit deinen Stöcken. Sieh zu, dass du weiterkommst, deine Artgenossen sind schon längst im Stall!“

HochRhön-BergTrail 2025

Ach, Martin. Schau doch mal. Der schöne dunkle Himmel, die Wiesen, die Blümchen. Hmm, vielleicht war was im Wasser am VP, was da nicht reingehört? Die Techno-Mucke kam mir eh schon spanisch vor…

HochRhön-BergTrail 2025

Willkommen im VIP-Bereich

Als ich heute morgen das Stadion betreten habe, dachte ich noch: Wenn du nachher hier die Runde drehst, dann hast du es geschafft. Hoffentlich wird das was. Jetzt habe ich fast die Runde rum und sehe den Zielbogen.

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Am Streckenrand läuft mir Grandmaster Eick mit dem iPhone im Anschlag entgegen, unter dem Zielbogen hockt Sabrina und filmt das Spektakel. Gleich zwei Fotografen haben die Kamera im Anschlag. Der Moderator kündigt mich an – Leute, das ist er. Der VIP-Bereich, auf den ich gewartet habe. Und ich glaub, es waren NICHT irgendwelche Pillen vom VP, die mich jetzt pure Glückseligkeit empfinden lassen.

To be continued in 2026

HochRhön-BergTrail 2025

Danke für alles. Liebes HRBT-Team, ihr seid die Geilsten! ❤️

Daten zum Lauf

 
If it’s not on STRAVA, it didn’t happen.

4 Kommentare

  1. Comment by Benne B-Punkt

    Benne B-Punkt Antworten 17. September 2025

    Hey Martin,

    da lässt sich für nächstes Jahr auf der Krone sicher was arrangieren!

    Was drinkst Du lieber? Asbach- , oder Jacky-Cola??

    … wenn ich so drüber nachdenke, am besten würde ja Goldkrone passen

    Schöner Bericht! Danke, viele Grüße ‍♂️

    • Comment by Martin

      Martin Antworten 18. September 2025

      Mensch Benne, das ist lieb. Du brauchst dir an der Krone aber keinen Zacken aus der Krone brechen. In Wirklichkeit mag ich gar keine Mixgetränke. Cola pur ist schon okay. Vielleicht ein Zitrönchen und ein paar Eiswürfel? :hehehe:

  2. Comment by Oliver

    Oliver Antworten 18. September 2025

    Haha, ich glaube meine Frau hätte ein sehr(!) ernsthaftes Gespräch mit mir geführt, wenn ich zum Ballermann fahren wollte, das ist üblicherweise nicht so meine „Ziel-Destination“ ;-)
    Schöner Bericht, trotz zögerlicher Ankündigung dann doch durchgezogen und ich finde du bist recht entspannt ins Ziel getrabt, so geht das. Toll dass wir zusammen am Start (und im Ziel) waren und nochmal danke für den Tipp hier überhaupt zu starten. Sollte es Cola mit Zitrone und Eiswürfel am VP geben, dann würde ich nächstes mal auch auf dich zum Anstoßen warten :-)

    • Comment by Martin

      Martin Antworten 18. September 2025

      Ach, kein Ballermann? Dabei siehst du doch wie der typische Malle-Fan aus. Nein? Okay, Scherz.

      Entspannt durch’s Ziel? Richtig. Einen auf dicke Hose machen, wenn der Lauf rum. Da bin ich groß drin. :D

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