Meine innige Verbundenheit zum Bilstein Marathon dürfte mittlerweile allgemein bekannt sein. Neu ist allerdings, dass sie sich nicht nur auf das Wochenende der Veranstaltung erstreckt. Nein, ich habe mich nicht verlaufen und brauche auch nicht länger als üblich. Im Gegenteil – dieses Jahr musste ich mich mit dem Halbmarathon begnügen. Okay, ich löse die Verwirrung mal auf…

Kleiner Zeitsprung. Wir stehen am Start des Werratal Schlösser und Burgen Ultratrails. „Sag mal Gerno, die BiMa Homepage – die könnte aber auch mal gepflegt werden“ – so in der Art prangere ich es an. „Ja, aber wir haben doch keinen, der das machen kann“ jammert Gerno mir vor. Ihr ahnt es – ich konnte schwerlich nein sagen. Das Ding mit der Verbundenheit, wie Anfangs erwähnt. Und so kommt es, dass rechtzeitig zum Start der diesjährigen Veranstaltung die neue Website des Bilstein Marathons an den Start ging. So, nun wisst ihr Bescheid, und wir können endlich zum eigentlichen Thema kommen.

Anders als geplant

Letztes Jahr hatte ich richtig Glück. Vier Ultras, ein Trail-Marathon und noch andere Dinger schafften es nicht, meinem betagten Gebälk Leid anzutun. Dabei sind als Ausgleichsport gerade einmal in der Woche Yoga und die tägliche Mittagsrunde angesagt. Aber es kommt, wie es kommen muss – verschoben ist nicht aufgehoben: Nach einem Marathon und einem Ultra in diesem Jahr ist die Glückssträhne beendet. Es zwickt an der Sehne am inneren Knöchel. Tibialis Posterior Syndrom schimpft sich das. Zwar nicht übermäßig, aber immerhin so, dass ich die Idee einen weiteren Ultra zu laufen, erst einmal ad acta legen muss. Vielleicht bin ich bis zum Rennsteig wieder fit, wenn nicht – dann eben nicht.

Stimme aus dem Off: „Mann, jetzt komm endlich in die Pötte. Du läufst nur einen Halben, und der Bericht wird jetzt schon länger als der deines längsten Ultras!“

Ja, doch. Ist ja gut. Allerdings sorgen unvorhergesehene Umstände dafür, dass ich nochmal etwas ausholen muss.

Hey, Frau Holle? Geht’s noch?

Ich bin grundsätzlich ein optimistisches Kerlchen. Wenn also die Wetter-App für 3 Uhr nachts Schneefall ansagt, gehe ich davon aus, dass morgens ein Hauch von Schneeflocken auf den Blumenbeeten des Vorgartens liegt. So, wie halt öfters mal im April. Also kein Grund zur Panik. Um nicht noch weiter auszuholen: Gut, dass ich den Wecker auf 6 Uhr gestellt habe, weil ich mir eigentlich den Start der Ultras anschauen wollte. Dass ich den Zeitpuffer dafür genutzt habe, um die Sommerreifen gegen die Wintervariante zu tauschen und in Nieste noch mal umzukehren, weil ich die Laufjacke vergessen habe, zeugt von meiner Flexibilität, stand aber so nicht auf dem Plan.

Nachdem ich mich also (im zweiten Anlauf) endlich über den tief verschneiten Umschwang gequält (ist übertrieben) habe, taucht das beschauliche Kleinalmerode im schönsten Sonnenschein auf. Meine Reifenwechsel-Orgie sorgt für entsprechende Belustigung. Immerhin – hier, der Tisch – da liegt Schnee!

Kuchenbuffet als Alternativprogramm

Was macht nun man mit der Zeit, die bis zum Start des Halbmarathons zu überbrücken ist? Okay, das ist eine rein rhetorische Frage, in Anbetracht des berühmten Kuchenbuffets, welches man im Bürgerhaus vorzufinden weiß. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, sich a) zu entscheiden und b) zurückzuhalten.

Ach so: Und c) sich nicht wieder dabei erwischen zu lassen, dass man b) nicht eingehalten hat. Tatsächlich muss ich mich aber wirklich zusammenreißen. Der Kalorienverbrauch auf den 21 Kilometern reicht nicht für unendlich viele Stückchen.

Im Startgetümmel

Bevor es für uns Halbmarathonis losgeht, dürfen die Teilnehmer des BiMa 42 in eine ungewohnte Richtung starten. Apropos ungewohnt – die Strecken des BiMas sind komplett neu ausgearbeitet. Ich habe im Januar bereits die 21er Variante bei einem Probelauf testen können. Viel hat sie nicht mit der Streckenführung zu tun, auf der ich 2016 noch ein recht flotte Premiere feiern durfte. Der Trailanteil in der ersten Hälfte ist deutlich höher und wird für viele Teilnehmer eine Überraschung sein.

Ich muss daher schmunzeln, als ich mir im Starterfeld die Schuhe anschaue. Da sind tatsächlich welche, die sich mit Straßenschuhen den Matsch geben wollen. Dürfte gerade heute eine zusätzliche Herausforderung sein, die ich mir als alter Mann lieber nicht mehr antue.

Bevor Gerno den Lauf freigibt, bliebe noch die übliche Frage, wer an diesem Tag mein persönlicher Begleiter sein soll. Till? Der hat die ganze letzte Zeit eher wenig trainiert. Tobi? Der hat die ganze letzte Zeit eher wenig trainiert, ist aber generell trotzdem immer schneller als ich. Matthieu? Keine Ahnung, ob der trainiert hat – spielt auch keine Rolle, komme ich eh nicht hinterher.

Die ersten Hügel hinter dem Ortsausgang schaffe ich es noch an Tobi dranzubleiben, aber dann ist er entfleucht. Schon feiere ich meine Idee, dass ich die inov-8 mit den 6 mm Stollen aus dem Regal gezerrt habe. Wie die Hühner hängen sie alle da am Hang, als es wieder auf den engen und matschigen Singletrails bergab geht – die mit ihren Straßenschluppen. Pah!

Als es wieder bergauf geht, denke ich so: Hey, was für ein Stress! Wie schön wäre es jetzt den Ultramarathon zu laufen. Bei dem ist man irgendwie entspannter unterwegs. Keine Ahnung, wieso ich mich da gerade mitreißen lasse. Wenn ich jetzt anfange zu gehen, kommt bestimmt der erste und fragt, ob denn alles okay mit mir sei. Würde beim Ultra nie passieren.

Och Gott, jooo…

…dann rennt eben. Ich mache jetzt langsam. Schließlich weiß ich, was noch vor uns liegt. Bis es nach dem Turm wieder bergab geht, liegen noch einige Höhenmeter vor uns. Kräfte einteilen ist also nicht verkehrt.

Also gehe ich eben, wenn ich der Meinung bin, ich müsste gehen. Das scheint tatsächlich die richtige Strategie zu sein, denn nur kurze Zeit später hole ich die Läufer wieder ein, die sich am Berg verausgabt haben.

Hatte ich eigentlich schon gesagt, dass ich die richtigen Schuhe gewählt habe? Ja, hatte ich, glaube ich. Vielleicht hätte ich sie noch etwas fester schnüren sollen, denn der Matsch ist teilweise so tief, dass der Schuh drin stecken bleibt. Ich liebe es!

Es zieht (sich)

So. Das war’s jetzt erst mal mit den Trails. Nach 12,5 Kilometern geht’s auf der Waldbautobahn hoch Richtung Turm. Mal eben auf die Garmin geschaut – die erzählt mir doch tatsächlich was von einer prognostizierten Ankunftszeit von 12:45 Uhr, was einer Zeit von 2:15 entspricht. Ups, das ist dann doch etwas mehr als die 1:45:30 aus dem Jahr 2016. Okay, acht Jahre her. Anderes Streckenprofil. Dennoch ist ein Ehrgeiz geweckt – da muss noch was gehen!

Kaum habe ich die Bergziege in mir aus dem Frühjahrschlaf geholt, bereue ich es auch schon wieder. Nee, was sich das hier zieht. Und stellenweise recht frisch hier. Es zieht (sich) also mehrfach.

Der Schnee auf den Blättern fällt auf uns herab, als wir die Waldautobahn verlassen, um auf einem Trail zum Turm hinaufzulaufen. Eine groteske Situation. Das habe ich mir vor ein paar Wochen irgendwie anders vorgestellt. Mit Blümchen, Vogelgezwitscher und so.

Stattdessen wird oben am Turm heißer Tee gereicht, doch diesen VP passiere ich ohne anzuhalten. So, wie alle VPs auf der Strecke. In meinen Flasks habe ich Tailwind und zur Not noch ein Gel dabei. Das sollte reichen. Von einem Ultra-Brauch lasse ich mich allerdings nicht abbringen. Die Jungs am VP des vielarmigen Wegweisers werden zu La-Ola-Welle genötigt. Nun, da ist noch Luft nach oben…

Jetzt aber!

Noch mal ein kurzer Blick auf die Garmin. Ey, die zeigt immer noch 12:45 Uhr als Ankunftszeit an. Das ist irgendwie frech, aber das bin ich von ihr gewohnt – „unproduktiv“ hat sie damals meine Rennsteig-Premiere genannt, dieses Miststück. Na, warte. Jetzt erst recht: Auf den letzten Kilometern gebe ich Vollgas. Das rächt sich zwar bergab – der Schuh hat wirklich null Dämpfung – aber wat mutt, dat mutt.

Apropos, der letzte VP bekommt natürlich auch die La-Ola-Challenge aufgebrummt. Jungs, das war eine 10 von 10. Gratuliere!

Nun heißt es, die letzten paar Kilometer auf dem endlosen Stück der „alten“ Halbmarathon-Strecke ins Ziel zu rennen. Ich schaue lieber nicht auf die Uhr. Gefühlt bin ich „so mittel“ schnell. Tatsächlich liegt die Pace gerade bei einer beachtlichen 4:25. Läuft also. Das Ziel scheint zudem wirklich zum Greifen nah zu sein – die Musik kann man bereits deutlich hören.

Okay, zu früh gefreut. In der Kurve habe ich mit vielem gerechnet, nicht aber mit der Kapelle. Ich grüße trotzdem nett und verschwinde auf dem letzten Trail des Tages. Ich könnte zur Abwechslung noch ein paar Plätze gut machen, beschließe ich. So muss also dieser Kandidat dran glauben…

…und auch die Dame hier, die mich vorhin auf dem Weg zum Turm so lässig überholt hat. Platz da – das Imperium schlägt zurück. Dark Vadder setzt zum Überholen an.

Ja, und das war’s schon wieder. Genau in der Kurve bereue ich schon wieder, dass ich nicht doch den Ultra gelaufen bin. Nur etwas mehr als zwei Stunden (2:05:52 um genau zu sein) hatte ich etwas von dem schönen BiMa-Feeling. Gut, zugegeben – ich hätte ja auch langsamer laufen können…

Bei der Zielankunft die Startnummer nach vorne drehen – habe ich brav gemacht. War aber nicht nötig. Mein Namensvetter kniet nieder, begrüßt mich herzlich und verkündet lauthals meine Tätigkeit als Schöpfer der neue BiMa-Homepage. Reizend. Danke. Bitte. Gern geschehen. Bei der Gelegenheit aber auch ein Dank von mir – für die wie immer tolle Organisation. Und den Kuchen!

Nachtrag in Sachen Talentförderung

Vielleicht könnt ihr euch noch an meinen Beitrag zum Bilstein Marathon 2018 erinnern. Da habe ich diesen Jungen mit zum Ultra geschleppt, der im vergangenen Jahr tatsächlich auf der Distanz gewonnen hat. Tja, und was soll ich sagen? In diesem Jahr setzt René noch einen drauf und rennt nach 4:37:33 mit knapp 29 Minuten Vorsprung auf Platz 2 erneut als Sieger ins Ziel. Ich bin schon etwas stolz auf mich den Kerl.

Daten zum Lauf