Grundsätzlich bin ich ein positiv gestimmter Zeitgenosse. Ich wage jedoch zu bezweifeln, dass ich meine Bestzeiten auf dem Asphalt, die mittlerweile allesamt aus dem letzten Jahrzehnt stammen, in irgendeiner Art und Weise nochmals toppen kann. Da kann selbst ein Superschuh keine Wunder mehr vollbringen. Oder vielleicht doch?

Einleitende Worte

Es ist nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Der ein oder andere Carbonschuh musste bereits dran glauben und mit meinem mehr oder minder unbeholfenem Laufstil klarkommen. Naja, eher umgekehrt. Am ehesten kam ich mit dem Rocket X2 von HOKA zurecht, der für meine wöchentlichen Buga-Runden herhalten musste, sofern ich Muße für eine flottere Trainingseinheit hatte. Dieser Schuh verzeiht sogar einen Fersenlauf, wenn auf den letzten Kilometern der Runde die Kraft nachlässt. Und tatsächlich fühle ich mich mit dem Modell sogar einigermaßen schnell. Dennoch – für einen Wettkampfeinsatz hat es bis dato noch nicht gereicht. Traue ich mich nicht.

Apropos trauen: Ich konnte meinen Augen kaum trauen, als das Paket mit dem Testexemplar des Cielo X1 2.0 von HOKA bei mir eintrudelte. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Rocket X2 einiger der wenigen Carbonschuhe ist, an dem ich Freude habe, war ich sehr gespannt, ob das beim Cielo X1 2.0 auch so sein wird.

First Look

„WOW. Aus was ist der?“ fragt die Holde, als ich ihr den HOKA Cielo X1 2.0 in die Hand drücke. „Aus Papier?“ Nee, nicht ganz. Tatsächlich scheint der Schuh weniger als die 235 Gramm zu wiegen, die die Waage in seiner Größe US 11 anzeigt. Das ist in der Tat recht wenig, wenn man bedenkt, wieviel Material da unter dem Schuh verbaut wurde. Wobei da ganz geschickt optisch getrickst wurde, denn durch die zweifarbige Gestaltung fällt gar nicht auf, wie hoch der Schaum unter dem Vorfußbereich ist.

HOKA Cielo X1 2.0

Die erste Version des Cielos hat auf mich den Eindruck eines Wohlfühl-Carbon-Racers gemacht – damit war ich wohl nicht allein. Eher untypisch für einen Schuh in dieser Kategorie war das gewebte Obermaterial und das relativ hohe Gewicht. Mit dem Cielo X1 2.0 setzt HOKA nun ein komplett neues Obermaterial ein.

Ein spezielles, sehr dünnes Jacquard-Mesh mit verschiedenen Overlay-Elementen im 3D-Siebdruck sorgt nun für eine leichte Atmungsaktivität. Dieses transparente, plastikartige Material bietet sogar einen erstaunlich guten Halt. Bei der Urversion standen auch die Schnürsenkel in der Kritik. Dem Punkt hat man sich scheinbar angenommen. Die neuen Senkel sind auf den ersten Blick etwas lang, aber mit einer Marathonschnürung perfekt dimensioniert.

HOKA Cielo X1 2.0

Die wohl aggressivste Rockergeometrie, die ich jemals unter einem Schuh zu Gesicht bekommen habe, bereitet mir ein klein wenig Angst. Ebenso wie der Ausschnitt auf der Innenseite des Schuhs – das könnte rein pronations-technisch heikel werden. Von dem extrem hohen Aufbau der doppelschichtigen PEBA-Zwischensohle mitsamt der zackigen Carbonfaserplatte wollen wir lieber erst gar nicht reden.

Der Aufbau soll, je nach Größe des Schuhs, um ein paar Millimeter variieren. Und tatsächlich findet man selbst bei HOKA widersprüchliche Angaben. Von unter 40 mm bei Größe US M8.5 bis hin zu 48 mm im Fersen- und 41 mm im Vorfußbereich bei Größe US M10 (Quelle). Immerhin: 7 mm Drop sind sicher.

HOKA Cielo X1 2.0

Die Laufsohle aus rutschfestem Gummi unterstreicht noch einmal optisch, dass der Schuh liebend gerne (nur) auf dem Vorfuß gelaufen werden will. Sehr gut zu erkennen, dank einiger Cut-Outs, ist auch die Carbonfaserplatte – das Herzstück der Mittelsohle.

HOKA Cielo X1 2.0

Auch im Fersenbereich wurde noch einmal Material gespart. Das dürfte ebenso auf Kosten der Stabilität gehen, wenngleich der Schuh ohnehin dort durch die hochgezogene Sohle wenig bis keinen Bodenkontakt haben sollte – zumindest im Stand. Ein ziemlich seltsames Gefühl by the way, aber da komme ich später nochmal zu.

HOKA Cielo X1 2.0

Der HOKA Cielo X1 2.0 in der Praxis

Ich habe oben schon erwähnt, dass ich seit einiger Zeit recht zufrieden mit dem HOKA Rocket X2 herumlaufe. Der Schuh hat mittlerweile, nach rund eineinhalb Jahren, etwa 200 Kilometer auf dem Buckel. An guten Tagen bin ich damit so unterwegs, dass mir er mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert – aufgrund einer Pace, welche altersklassenbereinigt eventuell zu einer Bestzeit auf der Halbmarathondistanz ausreichen würde.

HOKA Cielo X1 2.0

Jetzt versteht ihr sicher auch, wieso der HOKA Cielo X1 2.0 grundsätzlich das Potential für einen optimalen Nachfolger haben könnte. Dachte ich zumindest. Die erste Anprobe ließ jedoch erste Zweifel aufkommen.

„Holla, die Waldfee. Was ist das?“ dachte ich laut. Ich habe so ein Wackelbrett, mit dem man Gleichgewichtsübungen machen kann. Viel stabiler kam mir der Cielo zunächst nicht vor. Gut, um ihn für’s Core-Training zu nutzen, wenn es mit der Lauferei nicht hinhaut, ist das gute Stück dann doch etwas zu schade. Vor allem bei einem UVP von schlappen 275 EUR.

Bildlich gesehen hat man im Stand eine Kontaktfläche im mittleren Teil des Schuhs, da der vordere Rockerbereich und die nach oben gewölbte Ferse keine Auflagefläche besitzen. Das verspricht ein ungewöhnliches Laufgefühl. Die Betonung liegt auf laufen, denn gehen kann man damit nicht. Nun, dann versuche ich mal mein Glück.

Immerhin: Passen tut er super. Ich habe normalerweise in HOKA eine 44 1/3. Der Cielo X1 2.0 ist eine Nummer größer eingetroffen. Genau einen Daumen breit Platz habe ich vorn. Insofern dürfte der Schuh in der Regel etwas kleiner ausfallen.

HOKA Cielo X1 2.0

Schon auf den ersten Metern zeigt sich, wie essenziell ein Vorfußlauf ist und wie sehr sich das ein oder andere Kilo zu viel auf der Waage bei der Performance des Schuhs (naja, eher des Läufers) bemerkbar macht. Will sagen: Ich bin zu schwer und zu langsam für den Schuh. Und einen miserablen Laufstil habe ich auch noch. Nur: Warum verzeiht der Rocket X2 all diese Makel und der Cielo X1 2.0 nicht?

Nun, der HOKA Rocket X2 ist scheinbar dann doch ein wenig stabiler und besitzt offenbar und gefühlt einen festeren Schaum. Auch der Cut-Out an der Innenseite macht den Cielo nicht unbedingt stabiler. In der Slow-Mo eines Videos sehe ich sehr deutlich, wie sehr ich mit meinem linken (Problem-)Fußgelenk nach innen knicke. Somit verbietet sich ein dauerhafter Einsatz leider von selbst.

Mein Fazit zum HOKA Cielo X1 2.0

Der HOKA Cielo X1 2.0 funktioniert ausschließlich bei hohem Tempo. Und wenn ich hohes Tempo meine, dann wahrscheinlich nicht jenes, welches ich derzeit im Stande bin zu laufen. Schon gar nicht dauerhaft im Vorfußbereich.

Mit Mühe habe ich es im Cielo geschafft, meine Pace im 4er-Bereich zu halten. Damit habe ich normalerweise kein Problem, sofern der Schuh zu mir passt. Bei einem langsamen Tempo ist das Laufen beinahe unangenehm eierig, von daher ist es ratsam, den Schuh nur auf schnellen Einheiten zu nutzen.

Im Umkehrschluss heißt das natürlich: Es gibt derzeit wohl kaum einen dynamischeren Schuh für Läufer, die im hohen Tempobereich unterwegs sind. Alle anderen sollten sich entweder das Vorgängermodell oder den Rocket X2 anschauen.

 

Für die Transparenz

Der HOKA Cielo X1 2.0 wurde mir für diesen Test kostenlos zur Verfügung gestellt. Den Bericht habe ich aus freier Hand geschrieben. Es wurde keinerlei Einfluss auf den Inhalt oder die Bewertung genommen.

2 Kommentare

  1. Comment by Marcel

    Marcel Antworten 25. März 2025

    Hi Martin,
    dein Testbericht macht mir direkt Lust, den Schuh auch mal zu laufen.Ich habe ja neulich den Hoka Mach X2 getestet, der wahrscheinlich etwas stabiler als der Cielo X1 2.0 ist. Er ist sozusagen die Trainervariante des Cielo X1 2.0. Das käme dir wahrscheinlich entgegen.
    Bei gleicher Schuhgröße hätte ich einfach einen Tausch vorgeschlagen ;-)

    • Comment by Martin

      Martin Antworten 25. März 2025

      Beim Tecton X2.5 oder X3 wäre ich dabei gewesen beim Tausch. ;)

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