HOKA und ich hatten eine kleine Beziehungspause. Nein, wir hatten uns nicht gestritten. Aber wir hatten uns etwas auseinandergelebt, ihr kennt das vielleicht. Die Liebe flammte wieder auf, als mir beim Sale der Mauszeiger über dem Bestellbutton eines schönen, blauen Tecton X ausrutschte. Schwupp, stand der Paketbote vor der Haustür – kannste nix machen. Tja, und dann brachte HOKA auch noch dessen Nachfolger heraus. Das war der Punkt, an dem alles eskalierte…

Okay, erstmal schön der Reihe nach. Dass ihr heute diesen Testbericht lesen könnt, liegt wohl daran, dass das Vorgängermodell des neuen Tecton X 2 eine riesige Fangemeinde hat. Es gibt eigentlich kaum jemanden, der diese Carbonflunder für den Trail nicht ins Herz geschlossen hat, sobald er das erste Mal damit über Stock und Stein gepflügt ist. Vollkommen logisch, dass ich da neugierig werde – ihr kennt mich.

Und so kommt es, wie es kommen musste: Derartig angefixt bestelle ich den Tecton X. Gerade mal auf einer kurzen Runde frisch eingelaufen, darf er auf der Ultradistanz des BiMas seine Wettkampftauglichkeit unter Beweis stellen. So einen Unsinn mache ich eigentlich selten. Wenn ich euch verrate, dass ich mich unmittelbar danach um ein Testexemplar des neuen Modells gekümmert habe, muss ich nicht weiter erklären, ob der Einsatz erfolgreich war, oder?

First Look

Die bereits erwähnten Fans des Tecton X hatten sicher bereits abgekaute Fingernägel vor lauter Panik, dass HOKA den Schuh verschlimmbessern könnte. Immerhin gilt er als der Beweis schlechthin, dass Carbon auch auf dem Trail funktionieren und für alle Leistungsklassen geeignet sein kann. Die gute Nachricht vorab: Verändert wurde der Schuh nur oberhalb der Sohlenkonstruktion. Die Laufeigenschaften sind somit beinahe identisch.

HOKA Tecton X 2

Zugegeben: Die neuen Farbkombinationen des Tecton X 2 sind etwas gewagt. Hier seht ihr das Colorway „Cherrie Jubilee / Flame“. Weiterhin zur Auswahl steht zurzeit noch „Ceramic / Evening Primrose“ (auch schön) sowie „Black / Flame“ (ziemlich geil) – letzteres allerdings bisher nur auf der US-Website.

HOKA Tecton X 2

Mit dem neuen Matryx®-Obermaterial, was ihr vielleicht schon vom EVO Speedgoat und EVO Mafate kennt, möchte man beim neuen Modell Gewicht einsparen, sowie die atmungsaktive und hydrophobe Eigenschaft des Materials nutzen. Das mit der Gewichtsersparnis hat, zumindest bei meiner Größe (US 10,5), die hauseigene Küchenwaage nicht beeindrucken können. Beide Modelle wiegen 270 Gramm. Wundert mich ehrlich gesagt, denn das Material ist wirklich viel dünner – so dünn, dass man stellenweise durchschauen kann.

Das alte Schnürsystem, welches zuvor weit über die Oberseite der Zehen reichte, wurde beim Tecton X 2 nun wieder auf eine traditionelle Länge reduziert. Da hat man anscheinend auf die wohl einzige Kritik am Vorgänger reagiert, denn einige Käufer haben die Schnürung über den Zehen als störend empfunden. Ich kann mich allerdings nicht beschweren, mir gefiel allenfalls die Optik nicht so besonders.

HOKA Tecton X 2

Kommen wir zu dem, was den Schuh so besonders macht. So besonders, dass selbst HOKA der Meinung war, dort keinen Änderungsbedarf zu sehen. Unverändert kommt er demnach mit einer ProFly-X™-Zwischensohle und einer Vibram®-Megagrip-Außensohle mit Litebase-Konstruktion und 4 mm Stollen daher. Zwei parallele Carbonfaserplatten sorgen für ein energetisches Laufgefühl, die HOKA-typische Early Meta-Rocker Konstruktion darf selbstredend auch nicht fehlen.

HOKA Tecton X 2

Die beiden Modelle habe ich zum Vergleich für euch nochmal zusammen abgelichtet. Ihr seht: So viel hat sich da tatsächlich nicht getan. Falls ihr das Vorgängermodell irgendwo im Ausverkauf ergattern könnt – „da ist das Gute noch nicht von“.

Vergleich Tecton X vs. Tecton X 2

Der HOKA Tecton X 2 im Praxistest

Da ich mich Anfangs bereits als Fan des Tecton X geoutet habe, dürfte ich den Spannungsbogen mal wieder vermasselt haben. Ja, logisch – der HOKA Tecton X 2 hat mich ebenfalls von Anfang an begeistert. Schließlich läuft er sich genauso energiegeladen und reaktionsfreudig wie das Vorgängermodell. Die parallelen Carbonplatten geben besonders an Anstiegen merklichen Vortrieb und sind auf technischen Abschnitten keinesfalls in irgendeiner Weise hinderlich. Die Vibram®-Megagrip-Außensohle mit ihren 4 mm Stollen hat ausreichend Grip. Wenn es richtig matschig und rutschig wird, ist man damit natürlich eher am Limit.

HOKA Tecton X 2

Da der HOKA Tecton X 2 als Wettkampfschuh deklariert wird, darf der Test selbstredend nicht ohne Wettkampf von statten gehen. Und was beim Tecton X geklappt hat, sollte doch beim Tecton X 2 auch funktionieren.

Mit dem HOKA Tecton X 2 zum Supermarathon

Okay, ich gebe es zu. So ganz knusper bin ich nicht. Nach gerade mal zwanzig Kilometern darf der HOKA Tecton X 2 mit mir zusammen in Eisenach am Start stehen – der Schuh sah noch aus, wie frisch aus dem Karton. Irgendwo auf den 74 Kilometern werde ich es bereuen. Blasen des Grauens, Achillessehnenprobleme vom Carbon – irgend sowas in der Art.

Wahrscheinlich erzähle ich euch nichts Neues: Der Supermarathon des Rennsteigs besteht hauptsächlich aus Waldautobahnen und ein paar weniger technischen Trails. Nach 73,9 Kilometern mit 1.874 Höhenmetern läuft man möglichst erfreut in das schönste Ziel der Welt ein. Da kann es nichts schaden, wenn man ein wenig Unterstützung von einem geeigneten Schuhwerk bekommt. Und genau das hat mit dem HOKA Tecton X 2 wunderbar funktioniert.

Wenn ich nach rund 60 Kilometern noch energiegeladen mit einer Pace unterhalb 5:00 die Piste runterrennen kann, war entweder was im Trinkwasser oder die Werbeversprechen von HOKAs Marketingabteilung waren nicht so ganz an den Haaren herbeigezogen. Tatsächlich konnte mich die reaktionsfreudige Dämpfung auf jenen Bergabpassagen voll überzeugen. Dass die Beine noch immer frisch waren, lag sicher auch daran, dass die Carbonfaserplatten bei den Anstiegen zuvor eine unterstützende Wirkung hatten.

Rennsteig Supermarathon

Der Zieleinlauf beim Rennsteig Supermarathon: Test bestanden. Keine Blasen oder andere Wehwehchen! (Bild: Foto-Team Müller)

Mein Fazit zum HOKA Tecton X 2

So mutig, wie ich mit dem Praxistest begonnen habe, geht es gleich weiter. Ich behaupte mal, dass der HOKA Tecton X 2 der Trailrunningschuh des Jahres 2023 werden wird. Okay, so besonders gewagt ist das jetzt nicht, denn bis dato sind sich alle Tester einig, dass der Schuh noch besser als sein Vorgänger ist. Und schaut man sich mal die Startaufstellungen der Trailrennen an, wie beispielweise bei der WMTRC 2023, so ist er bei HOKA gesponsorten Läuferinnen und Läufern ebenfalls erste Wahl.

Bisher war ich mit Carbon immer äußerst vorsichtig, aber der Tecton X und nun der Tecton X 2 haben gezeigt, dass man auch Carbon-Schuhe bauen kann, mit denen selbst ich zurecht komme. Gut gemacht, HOKA!

Fazit

 

Für die Transparenz

Der HOKA Tecton X 2 wurde mir für diesen Test kostenlos zur Verfügung gestellt. Den Bericht habe ich aus freier Hand geschrieben. Es wurde keinerlei Einfluss auf den Inhalt oder die Bewertung genommen.

6 Kommentare

  1. Comment by Tobias

    Tobias Antworten 11. Juli 2023

    Hallo Martin,
    den Schuh hatte ich tatsächlich noch gar nicht auf dem Schirm, dabei laufe ich seit Jahren viel mit Hokas, allerdings nur selten Trails ;-) da kam früher der Speedgoat und in den letzten 2 Jahren der Torrent an meine Füße … hast du da vielleicht Vergleichsmöglichkeiten?
    Der Torrent ist schon schön leicht für einen Trailschuh, was ich sehr mag.
    Sonnige Grüße aus dem schönen Belgien,
    Tobias

    • Comment by Martin

      Martin Antworten 11. Juli 2023

      Hallo Tobias.
      Ja, den Torrent 2 hatte ich auch mal. Der war mir im Grunde zu unspektakulär. So richtig warm geworden bin ich mit ihm nicht. Den Speedgoat hatte ich in der EVO Variante. Toller Schuh, aber etwas zu weich für meinen Geschmack. Beim Tecton X (2) merkt man halt schon, dass da moderne(re) Materialien verbaut sind. Da kommen die beiden von dir genannten Modelle nicht dran.

      Derzeit gibt es übrigens noch auf der HOKA Website den oben abgebildeten blauen Tecton X im Sale. Für 125,99 € (statt 210 €) ist das eigentlich ein absoluter No-Brainer, vor allem für HOKA Fans. ;)

  2. Comment by Tobias

    Tobias Antworten 11. Juli 2023

    Danke für die Infos :)
    Ich fand die Sohle des Speegoats bei Nässe genial, der Torrent kann effektiv nichts Besonderes eigentlich ^^ aber das Gewicht ist da schon top.
    Den Tecton X behalte ich mal im Blick!

  3. Comment by Brennr.de

    Brennr.de Antworten 10. November 2023

    Es gibt in nun in einer neuen Farbvariante (evening primrose / radiant yellow), die genau mein Fall ist. Natürlich gibt es ihn nicht in meiner Größe (US14 / 49 1/3), warum auch immer. Schade. Welcher ist bedenkenloser (bzgl. Laufstil, Komfort, Stabilität) laufbar? Der Hoka oder der Asics?

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