Prolog
Kürzlich hatte ich die Möglichkeit, an einem Laufseminar inklusive Laufanalyse teilzunehmen. Das war zwar eher ein Kompaktseminar, aber dennoch sehr aufschlussreich. Schon nach kümmerlichen zwei Minuten auf dem Laufband offenbarten sich all meine derzeitigen Unzulänglichkeiten. Aber es gab auch aufbauende Worte des Seminarleiters, die ganz nach dem Motto „erst Lob dann Tadel“ zuerst genannt wurden: „Du läufst schon länger, oder? Und du achtest sehr auf einen optimalen Laufstil und hast dich damit schon intensiv befasst?“ – Hach. Komm an mein alterndes Herz, mein Jung – ich schließe dich in mein Testament ein. GENAU! Richtig! Das stimmt!
Kurz bevor die anderen Teilnehmer des Seminars die Gelegenheit hatten, ehrfürchtig vor mir nieder zu knien, bekam ich aber noch einmal die volle Breitseite: „Du weißt aber schon, dass du eine Blockade im rechten Fuß hast, deine Auf- und Abbewegung nicht optimal ist und du damit viel Energie verpulverst?“
Ja, toll. Das mit der Fußblockade war mir nicht neu. Schließlich ärgert mich mein rechtes Schienbein schon lange. Während ich anfangs dachte, ich wäre ein typischer ShinSplint-Kandidat, klärte mich meine Schwägerin, ihres Zeichens Physiotherapeutin, auf, dass die Schmerzen aus einer Blockade im Sprunggelenk resultieren könnten. Und wie heißt es schön? Auf einem Bein kann man nicht jammern: links habe ich im Fußgewölbe ständig eine Art Krampf. Nicht unbedingt schmerzhaft, aber doch unangenehm. Ihr seht – wenn hier einer ein Anrecht auf das große #MIMIMI hat, dann bin ich das.
Die Gelegenheit war günstig. Wieder hatte ich jemanden, dem ich mein Leid in aller Breite klagen konnte. Der Holden jammere ich schon seit Wochen die Ohren voll. Ich fürchte, die kann es nicht mehr hören. Allerdings kam es anders als gedacht. Die Fragen kamen diesmal nicht von mir. Ein „Dehnst du fleissig vor und nach dem Laufen?“ entpuppte sich als hinterlistige Fangfrage. Denn mein heftiges und strahlendes Nicken wurde mit einem kurzen, aber knappen „Lass es bleiben!“ beantwortet. „Was du brauchst, ist ein ausgiebiges Training der Antagonisten, also der Gegenspieler.“
Ähm ja. Sage ich ja immer. Also, mache ich ja auch. Manchmal. So … einmal im Monat. Beweisen durfte ich es auch sogleich. „Leg dich mal auf den Bauch und winkel die Beine an. Jetzt ziehst du die Füße zum Po, und ich halte dagegen.“ In nur dem Bruchteil einer Sekunde offenbarte sich der Trainingsplan für die nächste Zeit. Kurz gefasst: hinten im Bein ist nichts, was den Namen Muskel verdient. Seine Bemerkung „Typisch Läufer“ relativierte die peinliche Angelegenheit nur minimal. Ich stehe nun also vor der anspruchsvollen Aufgabe, in meinen Trainingsplan nicht nur Läufe, sondern auch Gymnastikübungen einzubauen. Apropos Trainingsplan. Genau, da war ja was…
Der Plan…
Wir schreiben das Jahr 1 nach meiner Marathon-Premiere. Genau ein Jahr nach Beginn meiner Laufkarriere lief ich 2014 in die Frankfurter Festhalle ein. Das war großes Kino – zumindest für mich. Die stolz geschwellte Brust hielt fühlbar ewig, und ich kam mir nun vor, wie ein alter Hase. Dass man sich in Wirklichkeit immer noch wie ein blutiger Anfänger aufführt, erfährt man spätestens, wenn man in einem Laufseminar auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird – siehe oben.
Kommen wir aber nun endlich zum Plan. Wird ja auch Zeit. Gemeint ist mein Trainingsplan für den diesjährigen Frankfurt Marathon. Gemäß der Rechnung 2 x HM-Zeit plus 10 Minuten müsste ich dieses Jahr nach 3:13 Stunden den Teppich unter meinen Füßen spüren. Ja, nee. Is klar. Vergiss es, alter Sack. Man kennt mich als eine bescheidene Seele und als gnadenlosen Tiefstapler. Der Beweis: ich stehe im mit einer Zielzeit von 3:20 im Startblock 2 namens „BMW“. Frohen Mutes breite ich die Traingspläne von Asics und dem werten Herrn Steffny auf meinem Schreibtisch aus und plane die 12 Wochen vor dem Tag X. Während der Asics-Plan auf schnelle Einheiten und eher wenig Kilometer setzt, jagt mich der Herbert wie schon letzten Jahr im gemächlichen Tempo, aber dafür bei Zeiten auch mit Intervallen, über drölfzigmillionen Wochenkilometer. Nun ratet mal, was mir mehr liegt: richtig – das Ballern.
…der kein Plan ist…
Ratschläge der Kategorie »Laufe auch mal langsam!« und »Höre auf deinen Körper!« haben wir sicher schon alle einmal entgegen nehmen müssen. Bis wir an dem Punkt ankommen, dass wir sie auch annehmen, vergeht meistens eine Weile. Manchmal ist es gar zu spät. Meine derzeitigen Zipperlein sind sicher kein Beinbruch. Dennoch mahnen sie zur Vorsicht. Kann gut sein, dass ich meine bisherigen Trainingseinheiten viel zu tempolastig gestaltet habe. Demzufolge ist der Trainingsplan von Asics ebenfalls für die Tonne. Auch Zielzeit für Frankfurt werde ich noch einmal entsprechend korrigieren. Das Projekt »Marathon Nr. 2« inklusive dem Weg dorthin soll nicht nur Spaß machen, sondern auch möglichst verletzungsfrei über die Bühne gehen.
…aber letztendlich doch ein Plan ist
Schon 2014 habe ich die Vorbereitung auf den Marathon nicht ganz so akribisch befolgt, wie es der Herr Steffny vorgegeben hat. Dieses Jahr werde ich es noch weniger tun. Intervalle lagen mir noch nie – die lasse ich schon mal weg. Bleiben zwei bis drei kurze Einheiten in der Woche und die dicken Dinger am Wochenende. Sofern mir jene langen Läufe, also die über die 30 km, keine Probleme machen und die Vorbereitung einigermaßen über die Bühne geht, werde ich mich wie schon im letzten Jahr hinter „mein“ Ballonmädchen einordnen. Ricarda Bethke war 2014 Zugläuferin für die 3:44. Bis wenige Kilometer vor dem Ziel rannte ich nur Millimeter hinter dem Ballon her und musste so wenig auf meine Pace achten. Dieses Jahr steht 3:29 auf ihrem Ballon. Diese Zeit müsste machbar sein. Drückt mal die Daumen, dass weder dem Ballon, noch mir die Luft ausgeht.
14 Kommentare
Comment by Daniel
Daniel 27. August 2015
Kein Plan oder ein Plan – das ist immer die Frage.
Wenn ich mir Deine Laufleistung so ansehe frage ich mich natürlich, wie Du wohl laufen könntest, wenn Du „richtig“ trainieren würdest. Das Du mit Deinem Training so eine Premiere abgeliefert hast war schon genial, wenn Du dieses Jahr auch noch die 3:30 damit knackst werde ich aus trotz wahrsch. dein Blog entfolgen müssen ;-))
Aber mal im Ernst – wenn Du ein gutes Gefühl dabei hast, dann tu es. Ohne Plan (auch wenn er mich in den Wahnsinn und an den Rande allem möglichen treibt) würde ich mich nicht aufraffen können.
Comment by Martin
Martin 27. August 2015
Ist ein Plan nur ein Plan, wenn er von Steffny, Greif & Co. erstellt wurde oder ist es auch einer, wenn man sich selbst Gedanken gemacht hat, wie man an den Marathon rangeht? Das wollte ich eigentlich mit dem Text ausdrücken. Wahrscheinlich wirst du mich schon jetzt entfolgen, wenn ich dir verrate, dass ich für die 3:45 nicht ein einziges Intervall gelaufen bin, sondern einfach nur meinen Umfänge hochgeschraubt habe.
Comment by Daniel
Daniel 27. August 2015
ENTFOLGT
Das ist die Bürde der Laufblogger und Online-Läufer … irgendjemand muss immer weniger für das gleiche trainieren. Das blöde ist ja nur, dass man die Vielzahl Läufer die noch mehr als man selbst trainieren müssen nicht sieht.
Comment by Thomas (Harlerunner)
Thomas (Harlerunner) 27. August 2015
Ich mache mir da auch keine Sorgen bei Dir, Martin. Grundsätzlich wäre es mir aber lieber, wenn Du Deine Zielzeiten nicht allzu weit hoch schraubst, damit ich bei meiner Marathon-Premiere (irgendwann…) vielleicht doch nach Frankfurt kommen mag.
Comment by Martin
Martin 27. August 2015
2016 wollte ich eigentlich die Sub3 angehen. Öhm, nein. Nur Spaß.
Comment by micha
micha 27. August 2015
Ich werde Dich auch dann noch lesen, wenn Du die Sub3 geschafft hast
Nach Deiner Formel und meiner HM-Zeit vom Frühjahr, die gestrige war zu schlecht, würde ich ja in Berlin unter 3:30 laufen. Wenn nicht entflogen ich Dich
Comment by Martin
Martin 28. August 2015
Ja ja, ich bin immer Schuld. Das kenne ich…
Comment by Wiesel
Wiesel 27. August 2015
Drücke dir die Daumen für eine verletzungsfreie Vorbereitung. Die 03:30 schaffst du! Die Erfahrung aus dem ersten wird dir da zusätzlich helfen.
Bei Zeiten bis 03:30 std. und einigermaßen Lauftalent sind v. a. die Umfänge wichtig. Gerade wenn man wie du nicht schon ewig läuft lassen sich meiner Erfahrung nach damit die besten Steigerungen erzielen. Aber mit jedem weiteren Marathon und einem ambitionierteren Zeitziel wird es schwerer.
Meinen ersten bin ich in 03:17 gelaufen. Ohne besonderes Training, mit lediglich 4 Läufen größer 25 km. Den 2. in 03:10 bin ich auch mit keinem speziellen Training gelaufen. Da bin ich aber für sub 03:00 angegangen und bitterböse vom Mann mit dem Hammer niedergeschlagen worden. Daraufhin habe ich für mich entsschieden bei Straßenmarathons nur noch top vorbereitet an den Start zu gehen. Seither laufe ich stabil unter 03:00 std. und habe v. a. auch Spaß dabei
Comment by Martin
Martin 28. August 2015
Der Spaß dabei ist am wichtigsten. Gleich nach der Gesundheit. Und daran hapert es derzeit noch – siehe oben, Schienbeinmuskel. Aber ich bin frohen Mutes, dass ich das noch hinbekomme. Danke für’s Daumendrücken!
Comment by Wiesel
Wiesel 28. August 2015
Laufkinderkrankheiten Die wachsen sich aber aus ….
Comment by Gunther
Gunther 1. September 2015
Na ja Martin,
Du weißt ja wie meine Premiere im April in HH war. Ich denke, es ist schon sinnvoll ein wenig geordnet zu trainieren. Ich habe damals, so glaube ich, zu schnell trainiert. Deshalb werde ich diesmal die lange Läufe auch zeitlich lang gestalten und dann hoffentlich mit Dir und ohne meine Muskelkrämpfe den Marathon in Frankfurt rocken! Ich bin auch zuversichtlich dass Du sub 3:30h schaffst – aber nur wenn Du endlich ordentlich trainierst ne war nur Spaß
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